Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
gehört, so taten sie, aber als die gute Frau die Speisekammertür öffnen wollte, stand denn doch urplötzlich das Tantchen da.
     
    Also wieder hinaufhasten zum Ehegespons, der bereits ungeduldig war, wo sie denn bleibt. «Helga!» Der Mann nahm die Wärmflasche in Empfang und bat darum, daß sie ihm den Stuhl ans Fenster schiebt. «Wo warst du denn so lange?» Er hielt die Hände hinter die Ohren, was es da ist, das sie zu ihrer Entschuldigung vorbringt.
     
    Man richtete sich ein, die Hesses hatten jeder nur einen Rucksack mit und ein bißchen Gelumpe. Es sei alles so schnell gegangen! «Die Steinbeile!» rief Herr Hesse, «die Schaber!» Alles hatte er zurücklassen müssen.
     
    Daß Georgenhof ein richtiges Gut war, wenn auch ein abgewracktes, machte der Frau zu schaffen. Und sie flüsterte es Katharina ins Ohr: Gutsbesitzer? ob sie nicht lieber sofort wegmachen wollten? Junker murksten die Roten doch gleich ab. Da fackelten die gewiß nicht lange! Gutsbesitzer seien denen ein Dorn im Auge! Am besten abhauen, solange noch Zeit ist! Alles einpacken und weg! Gleich morgen!
    Sie selbst war auch unruhig, wie lange würde man hier noch herumsitzen? Sie bekämen Bescheid, war gesagt worden. Draußen ein Wagen hinter dem andern, und sie saßen hier herum?
     
    Drygalski, Heil Hitler, half den Hesses ein wenig beim Einrichten, der hatte im Moment nichts Besonderes zu tun. Die Trecks kamen auch ohne ihn aus dem Osten, und nach Westen zuckelten sie weiter. Da brauchte er nicht weiter einzugreifen. – Er strich um Katharina herum, so als ob er ihr was erzählenwollte. Katharina war das gar nicht recht. Seine braunen Stiefel, wenn sie die schon sah! Wer konnte denn wissen, wo überall er damit herumgelaufen war!
    Peters Bücherkiste trug Drygalski eigenhändig hinüber in ihre Wohnung, den Karton mit den Zinnsoldaten und der Eisenbahn. Die Jacken und Mäntel: jedes Stück nahm er in die Hand: ob man das noch braucht – so ungefähr, und ob man das da auch noch braucht. Könnte man den vielen Flüchtlingen davon was abgeben?
     
    Eigenartig: die kleine Truhe in Katharinas Schlafzimmer? Hatte die vorher nicht woanders gestanden?
    Die «Kauernde» würde man vielleicht besser etwas aus dem Blickfeld rücken? Ob das gut ist, wenn der Junge sie dauernd anguckt? Unten die Ahnenbilder, und hier oben eine «Kauernde»? Das paßte doch nun wirklich vorn und hinten nicht zusammen. – Daß der Künstler, der die «Kauernde» so voll und sinnenfroh gebildet hatte, Parteigenosse war und bei Hitler ein und aus gegangen, wußte er nicht. Davon hatte dieser Mann keine Ahnung.
     
    Peter hüpfte auf den Ehebetten der Eltern herum. In der Tür stehend, sah ihm Drygalski dabei zu. Er betrachtete den Jungen, blond mit schmalem Kopf, ein richtiger deutscher Junge, der gewiß noch mit der Knarre in der Hand seine Heimat verteidigen würde, wenn’s hart auf hart kommt, wie sein Sohn es getan hatte in Polen und dabei ins Gras gebissen!
    «Wie alt bist du? – Zwölf?» Naja, das war ja wohl doch noch ein bißchen zu früh, um sich ins Kampfgetümmel zu stürzen. Im Moment ja auch dicke Mandeln, mit so was war nicht zu spaßen. Auch sein Sohn war blond gewesen, aber auf den Betten war er nie herumgesprungen.
    Drygalski knipste Katharinas Radio an: auf Kopenhagen war es eingestellt. Ausländische Sender abzuhören war doch verboten? Nachrichten auf dänisch? Gab es denn nicht deutsche Sender genug? Mußte es denn unbedingt Kopenhagen sein? – Aber: In Kopenhagen stiefelten deutsche Soldaten durch die Straßen, saßen in den Cafés und aßen Schlagsahne, das war nun mal eine Tatsache. Es gab ja sogar eine dänische Waffen-SS, die kämpfte Schulter an Schulter mit ihren deutschen Kameraden gegen die Bolschewisten? Dänen, Holländer, Franzosen, Slowaken, ja sogar Russen! Ukrainer! Kosaken! – Mann an Mann. Ganz Europa war aufgestanden gegen die Rote Gefahr. Es wurde eisern zusammengehalten.
    Und so auch hier: Die Flüchtlinge so herzlich aufnehmen, wie’s überhaupt nur geht, das taten die Globigs augenscheinlich, das würde ihnen gutzunehmen sein.
    Aber: Wer einen dänischen Sender einstellt, war von dem nicht zu vermuten, daß er auch gelegentlich mal BBC hört? Aus Versehen möglicherweise? – Kopenhagen? Da ist BBC doch nicht weit. Drygalski war sich nicht schlüssig. Am besten, man erkundigte sich mal beim Kreisleiter und ließ sich Direktiven geben.
    Sie soll mal ehrlich sein? fragte Drygalski. Bestimmt husche sie doch auch mal über

Weitere Kostenlose Bücher