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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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waren gemeint. «Aber natürlich!» rief das Tantchen, und sie erlaubte den Jungen, auf den Messinggong zu hauen, der an der Wand hing, von einem Messingelefanten im Rüssel gehalten. Herr Hesse wischte Teller und Löffel am Tischtuch blank, und dann wurde emsig gelöffelt. Hühnersuppe würde bei ihnen zu Hause mit Eierstich angemacht, sagte der schlürfende Dorfschullehrer. Die gelben Fettaugen obenauf interessierten ihn. Zählte er sie gar?
    Peter zeigte den Jungen auf den Silberlöffeln die Stempel. Und auf den Tellern die Bäume, den Weiher mit Kranichen und das Boot mit einem Fischer, der gerade sein Netz aus dem Wasser zieht.
    Hesse sah seine Frau an: Wie er das aushalten soll, wenn hier soviel gequatscht wird am Tisch! ob ihm das mal einer sagen kann? Jugend hat den Mund zu halten, so war es doch von alters her.
    Wenn er als Kind den Mund aufgemacht hätte bei Tisch, hätte er vom Vater gleich eine an’n Ballon gekriegt.
    Und dann erzählte er es, wie er sich gefühlt habe, als er zur Seite sank. Er hätte gedacht: Nun ist alles, alles aus. Der Tischrundeerzählte er es und seiner Frau und seinen Kindern, die das doch miterlebt hatten. Die Frau war es doch gewesen, die sofort zum Dorfarzt geradelt war, der ihren Mann dann gerade eben noch hatte retten können. Davon konnte die Frau allerhand erzählen, den Bericht ihres Mannes vervollständigte sie damit. Der das dann seinerseits alles voll und ganz bestätigte. Nicht auszudenken, wenn er allein zu Hause gewesen wäre! Hätte doch sein können?
    Drei Jahre war es nun schon her, daß er umgekippt war. Der Tag war im Kalender rot angestrichen. Jedes Jahr einen Strich mehr! Man stelle sich vor, er hätte die Sprache verloren oder wäre gelähmt! Was hätte dann aus seinen Steinbeilen werden sollen?
     
    Die beiden Jungen waren etwas jünger als Peter, sie ließen nichts anbrennen. Eckbert und Ingomar: Man konnte es beobachten, daß sie den Vater auf dem Korridor nachahmten, wie er so dahinschlurfte. Früher hatten sie von ihm wohl so manche Ohrfeige bekommen, früher, als er noch bei Kräften war.
    Peter lief mit ihnen durch das ganze Haus, die ließen absolut nichts anbrennen. Für seine Pantoffeltierchen interessierten sie sich nicht, aber sie hämmerten auf dem Klavier herum, schlugen auf den Gong und setzten das Grammophon in Gang. «Si, si, si, schenke mir einen Penny ... » Der nasse Keller wurde inspiziert, in dem gluckste es – konnte sein, daß hier unter den Gewölben einmal Schwerverbrecher an Ketten geschmiedet waren und auf ihre Hinrichtung warteten? Peter schloß hinter den beiden die Tür zu, rasselte mit den Schlüsseln und ließ sie eine Weile im Dunkeln stehen ...
    Auf dem Dachboden lagen Walnüsse zum Trocknen. Die großen alten Schränke wurden inspiziert: ein Husarentschako noch aus der Kaiserzeit? Das Hochzeitskleid der Mutter? Ein aufklappbarer Zylinder?
    Sie spielten «Verkleiden», und sie konnten überhaupt nicht verstehen, wieso Katharina plötzlich weinte, als Peter in ihrem Hochzeitskleid die Treppe herunterkam und Eckbert mit Eberhards Zylinderhut.
     
    Auch die Kutsche stand jetzt auf dem Hof, Wladimir hatte sie aus der Remise herausgezogen und verstopfte die Ritzen mit Stroh, dichtete die Fenster in den Türen ab. Peter setzte sich schon mal probeweise hinein. Das war ganz gemütlich. Er freute sich darauf, mit der Mutter in dieser Kutsche wegzufahren, gen Westen, wann war es denn endlich soweit? Die beiden Jungen krochen neben ihn, und sie fanden es auch ganz gemütlich. «Bleib, wo du bist, und rühr dich nicht!»
     
    Den kleinen Abhang hinterm Haus fuhren sie auf dem Schlitten immer wieder hinunter. Nach kurzem Spiel zogen sie nach vorne um und fuhren den Abhang zur Chaussee hinunter. Die Kutscher der vorübertrottenden Fuhrwerke schlugen mit der Peitsche nach ihnen, und dann hielt auch schon ein Auto an: Ob sie nicht klug sind? In dieser ernsten Zeit Schlitten zu fahren und auf die Chaussee hinunter? Wie leicht kann da was passieren?
     
    Peter zeigte den Jungen auf dem Hühnerhof, wie zutraulich der alte Hahn ist, und in die große Scheune stiegen sie, wo noch altes Heu lag, in dem sie dann herumtobten. Und um ein Haar wäre einer der Jungen durch die Heuklappe auf die Diele gestürzt!
    «Bloß nicht meinem Vater sagen! Dann kriegt der sofort wieder einen Schlag!»
    Auch ins Kütnerhaus stiegen sie hinauf, zu den Ukrainerinnen. Doch die zogen die Burschen am Ohr wieder aus ihrer Budeheraus. Daß dort allerhand stand, was

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