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Alles Umsonst

Titel: Alles Umsonst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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sprach der Baron seine Bewunderung aus für ihre Umsicht und all das Rennen und Tun und Machen, und er sprach sie mit ihrem Namen an: «Frau Harnisch», sagte er also, «Sie sind eine fleißige Frau», und er klopfte ihr auf den knochigen Buckel. Katharina erhielt viele schwere Handküsse, und dem dabeistehenden Peter gab er einen leichten Backenstreich: «Immer schön der Mutter beistehen, ja?» Er winkte auch den Ahnen an der Wand zu, die mit aufgerissenen Augen das Geschehen verfolgten.
    Dann ging er in die Küche und hielt den beiden Mädchen eine längere Ansprache. Redete er ihnen ins Gewissen? Sie sollten immer schön auf die gnädige Frau aufpassen? Und immer zusammenhalten? so in dieser Richtung? Beiden steckte er fünf Mark zu, wofür sie sich mit einem Knicks bedankten.
    Die dünne Sonja zog er sogar ein wenig an sich.
    «Lora! » rief der Papagei. Und: «Alte Sau! »
     
    Studienrat Dr. Wagner stand schon vor der Haustür. Und während unten auf der Straße, unter dem Grollen des Horizontes, Wagen an Wagen vorüberzog – «Gute Nacht, Mutter, gute Nacht ... », gaben sich beide Männer dort oben die Hand, von Mann zu Mann. Jetzt nicht auf den letzten Drücker noch hopsgehen! Ohren steif halten und so weiter. Und in Wuppertal gibt es eine Adresse, die soll man sich mal einprägen, über die kann man Verbindung aufnehmen, wenn alles vorüber ist.
     
    Der Baron hatte bestimmte Pläne, er wußte ganz genau, was er wollte, und seine Frau auch. Möglichst weit nach Westen würden sie ziehen. Bremen? Warum nicht? Vielleicht dort irgendwo aufs Land?
    Dr. Wagner hatte noch keine konkreten Vorstellungen. «Walle wie die Woge, ruhelos wankend.» Er würde sich treiben lassen, nichts Gewaltsames unternehmen und in Ruhe und Besonnenheit an seiner Vollendung arbeiten. Mit einer weit ausholenden Handbewegung wies er auf das ostpreußische Land, das da zu seinen Füßen lag, in das sich der Flüchtlingswurm jetzt hineinbohrte. Dem Schicksalsrad nicht in die Speichen greifen. Gott sei Dank, so mußte man sagen, war seine Mutter ja schon tot. Zur rechten Zeit dahingegangen. Die lieben Alten, eine glücklichere Generation!
     
    Das baltische Ehepaar stand kaum an der Straße, die Rucksäcke auf dem Buckel, Koffer neben sich und den Papageienkäfig in der Hand, da hielt auch schon ein Auto, scherte aus der Kolonne aus und hielt. Ob sie mitfahren wollten? Aber sicher wollten sie das! «Dann man immer rin in die jute Stube!» sagte der Fahrer. Den Koffer freilich, dieses schwere Dings – der würde ja einen Achsbruch verursachen! –, den würde man auslassen müssen. «Tut mir leid!» Und ein bißchen beeilen müsse man sich, soviel Zeit habe man nicht, hier auf der Fahrbahn herumzustehen?
    Was war mit dem schweren Koffer anzufangen? All die Chroniken und das halbfertige Manuskript? Sollte man ihn auf dem Gutshof deponieren? Bis es wieder andersrum kommt? – Was konnte schon passieren? Waren nicht erst in der letzten Nacht wieder Panzer nach vorn geführt worden? Also schleppte die Baronin den Koffer wieder hinauf und ins Haus hinein. Wagner, der immer noch in der Tür stand, nahm ihn in Empfang. Ja,er würde das Seine tun, er würde den Koffer hüten wie seinen Augapfel, darauf könnten sie sich verlassen.
     
    Eben das Heimat-Manuskript noch herausfingern? Lag es nicht obenauf? Aber da hupte der fröhliche Fahrer auch schon! Der Mann kam dann sogar um sein Fahrzeug herum, um den beiden hereinzuhelfen. Blieb am Wagenschlag stehen, bis alles seine Richtigkeit hatte.
    Der Baron winkte den Fremdarbeitern, die nebeneinander auf der Terrasse des Waldschlößchens standen und die Abschiedszeremonie mit wachen Augen verfolgten, souverän zu. War das eine Art Ehrenbezeigung? Und ab ging die Post.
     
    Daß der Balte mit seiner Frau davonzog, ließ die Globigs traurig zurück. Es war immer so gemütlich gewesen, die stillen Abendstunden am Kamin, so gebildete Leute, man war richtig aufgelebt. Diese Leute hätte man gern für immer dabehalten! Selbst das Tantchen seufzte tief auf, ja, es stimmte, sie hatte immer viel gearbeitet in ihrem Leben, da mußte sie dem Baron recht geben. Der hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Und sie band sich eine Kittelschürze um: Oben auf den Schränken mußte auch noch der Staub weggewischt werden, Peter hielt ihr die Leiter. Alles sauber und ordentlich hinterlassen, wenn man womöglich auch noch auf Wanderschaft würde gehen müssen ...
     
    Am nächsten Tag wurde allerhand telefoniert. Onkel

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