Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Wohnung verlassen; ich glaube, sie ist im anderen Zimmer und stellt etwas Schreckliches an, etwas, das ich mir nicht mal im Traum vorstellen kann. Ich versuche
mir auszumalen, was es sein könnte, doch nichts von dem, was mir in den Sinn kommt, ist so schrecklich.
Doch es hängt etwas in der Luft, etwas Verhängnisvolles, bis Sarah zurückkommt, sie hat sich die Haare gebürstet und den Eyeliner unter ihrem linken Auge weggewischt. Sie sieht, dass wir sie anschauen, schnappt sich ihren Drink und beschließt zu tanzen. In einer Hand hält sie das Glas, mit der anderen fuchtelt sie in der Luft herum. Ihre Achselhöhle ist dunkel, feucht und nicht sonderlich rotblond. Ich sage: »Sarah.«
»Was?«
Doch als habe sie es erraten, senkt sie den Arm, wackelt zu Fiach und hakt ihren Zeigefinger in den Ausschnitt seines T-Shirts. Sie lächelt ihm mitten ins Gesicht. Dann gibt sie’s auf und lässt sich auf ihren Stuhl plumpsen.
»Scheiße noch mal«, sagt sie. »Lasst uns ausgehen. Lasst uns tanzen gehen.«
In diesem Augenblick, während er mit Fiach noch immer über Fotoausrüstung redet, holt Frank den Brandy heraus, und ich frage Sarah nach ihrer Mutter. Sarah hasst ihre Mutter, dabei ist es vermutlich eher ihr Vater, der manisch-depressiv ist. Doch sie liebt ihren Vater und verachtet ihre Mutter, und so reden wir eine Weile darüber. Dann erzähle ich ihr, wie Mami die Flasche aus dem Wäschetrockenschrank geholt und gesagt hat: »Na, wenigstens trinke ich nicht mehr«, und sich dabei einen weiteren Wodka eingoss. Aber das ist eine uralte Geschichte. Sie packt keinen mehr. Es ist Zeit zu gehen – oder wäre es, wenn Sarah nicht so betrunken wäre. Sie
lehnt sich zurück, schaut die Jungs an und fährt sich mit der Zunge über die Kanten ihrer Schneidezähne.
»Fiach«, sagt sie.
»Was?«
Fiach auf der anderen Seite des Tisches redet über eine Art Gans. Er sagt, jeden Samstag fährt er nach Bull Island, um Fotos von dieser Gans zu schießen. Er wirft die Mitteilung hin, als läge so ein Zeitvertreib voll im Trend, aber dann fängt er tatsächlich an, die Bezeichnungen für Möwen und Seeschwalben aufzuzählen, und Frank sieht ihn mit einem Gesicht wie abbindender Beton an. Ich glaube, er ist viel zu verblüfft oder zu gelangweilt, um etwas zu sagen, doch dann stelle ich fest, dass er vollkommen fasziniert ist, dass er wieder neun Jahre alt ist.
»Vielleicht könnte Fiach die Hochzeitsfotos machen«, sage ich, aber niemand hört zu. Fiach ist bei Brachvögeln angelangt und scheint über deren Füße zu reden.
»Ich sagte, vielleicht kann Fiach die Hochzeit übernehmen, Frank.«
Neben mir versucht Sarah, ihr Getränk anzuzünden. Sie tunkt das Feuerzeug ins Glas und schnippt am Reibrad. Beim Funkenschlag weicht sie ängstlich zurück, und das Glas kippt um. Die Brandyflamme greift auf den Tisch über.
Einen Augenblick lang beobachten wir alle vier, wie die Flamme am Holz entlangzüngelt. Frank hebt seine Serviette, schlägt aber nicht zu. Es ist ein so schönes Blau. Das Feuer saugt die Luft an und verliert sie wieder, schluckt sie und schlürft sie hinunter. Fiach schiebt seinen Stuhl zurück, als das Feuerrinnsal über die Tischkante
tropft und zu Boden fällt. Da nehme ich eine Flasche Wasser und lösche alles.
Sarah ist im Schlafzimmer, schweigend zieht sie ihren Mantel an. Dann dreht sie sich um und sagt, wie entzückt sie sei. Natürlich hat sie das schon mal gesagt, als ich ihr den Ring zeigte – wie alle anderen mit einem lauten gekünstelten Schrei -, aber diesmal sagt sie es richtig, fasst mich an beiden Armen und sagt, wie entzückt sie sei, wie sehr sie sich freue. Frank sei einfach großartig.
»Danke«, erwidere ich. »Du lieber Himmel, Sarah, ich hab ganz schön Bammel.«
Wir umarmen uns, und ich führe sie zurück ins große Zimmer.
Als sie weg sind, gehe ich zur Stereoanlage, drehe sie laut auf und fange an zu tanzen. Ich wackle mit dem Hintern. Ich setze mich auf die Luft, dann stoße ich in sie hinein. Ich sage: »Fick dich, Sarah. Echt, fick dich«, während ich meinen Pseudopenis aus Luft in die Höhe recke.
Frank sitzt auf dem Sofa und schaut mir zu. Dann schließt er die Augen und scheint einzuschlafen.
Die Schweiz
1.
Sie glaubte, ihm unrecht getan zu haben – dem Amerikaner. Er war so von sich eingenommen. Auf diese Weise trat er in ihr Leben, eine Tasse, die randvoll war, ein Gesicht, mit dem er zum Ausdruck brachte: Du weißt nicht mal die Hälfte.
»Dann rede doch mit
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