Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
mir«, sagte sie. »Klär mich auf.«
Er sah so gesund aus und so neu mit seinen frisch gefärbten blonden Haaren und seinen blendend weißen Zähnen. Er mochte am Flughafen entstanden sein. Beim Piepsen der Sicherheitsschleuse mochte er körperliche Gestalt angenommen haben.
Hallo, Dublin.
»Also erzähl mir von deinem Großvater«, sagte sie. »Von den in alte Zeitungen eingepackten Tassen, die du unter der Treppe in einer Kiste gefunden hast. Erzähl mir von den Sargschiffen und davon, wie du aus Connemara emigriert bist, ja? Erzähl mir von den Kartoffeln.«
»Meine Großtante Louise«, sagte er. »Als sie verrückt wurde.«
»Im alten Land«, sagte sie.
»In Connecticut. Sie rieb die Augen von den Kartoffeln, weil sie glaubte, sie würden sie anschauen.«
»Das hast du dir eben ausgedacht.«
»Nein, es stimmt«, sagte er. »Sie wurde schrullig. Ameisen, Fliegen, Mehltau, Schimmel – die Flecken waren es, die sie in den Wahnsinn trieben. Sie dachte, es seien Augen. Sie dachte, die Welt quelle über vor Augen. Kiesel, zum Beispiel. Stell dir das mal vor!«
»Augen oder Augäpfel?«, fragte sie.
»Stimmt schon, ich hab’s mir ausgedacht.«
Er trug die kleine erfundene Geschichte am Leib; ein weißes Hemd, sehr dicke Baumwolle. Es roch nach Waschkessel, Weißmacher und den Händen des Hoteldieners. Sah aus, als wäre es von einem Webstuhl in Lancashire in den Schoß einer kleinen Spinnerin gefallen. Doch der Stoff stammte – wie sie ihm erklärte – vermutlich aus China, war vom Webstuhl in den Schoß einer kleinen Chinesin gefallen. Denn heutzutage hat jeder Geld.
Er erzählte ihr vom Mississippidelta, von den schier endlosen flachen Feldern und den Baumwollballen, die genauso groß sind wie die Lkws, auf denen sie abtransportiert werden. Und von den Häusern, die genauso groß sind wie die Baumwollballen, als lebten die Erntearbeiter in Frachtcontainern mit angeklatschtem Vorbau. Er erzählte ihr von einem Trauerzug von Afroamerikanern, die eine Straße entlangschritten, am Ende der Welt, bei größter Hitze fantastisch gut angezogen einem langsam fahrenden Leichenwagen folgten. Weit und breit kein anderes Fahrzeug zu sehen.
»Du gewinnst«, sagte sie. »Zieh dein Hemd aus.«
»Was soll das?«
»Das ist ein Wettbewerb, ein Poesiewettbewerb.«
»Na schön«, sagte er. »Und was ist mit dir?«
»Mit mir? Ich bin das Mädchen im seidenen Morgenmantel, und auf dem Rücken blüht ein Magnolienbaum. Ich bin müde und überbeansprucht. Ich mag dunklen Lippenstift. Wer bist du?«
»Wie du schon sagtest, ich bin der Amerikaner.«
Auf der Straße ist er groß und stattlich, aber wenn er im Bett liegt, sind seine Beine – die unter ihm so leicht wirken – riesig und extrem angewinkelt. In seiner Gegenwart kommt sie sich vor wie ein Kind; sein großer Körper ist so teilnahmslos und so leicht zu besteigen.
»Ich wünschte, wir könnten anders vorgehen«, sagte sie. »Sex ist nur eine Abkürzung, mehr nicht.«
»Da hast du recht«, sagte er. »Aber was soll’s.«
2.
In Dublin, dachte er, vögeln die Frauen, als wären wir alle mit von der Partie, als wäre die Stadt ein einziges großes Waisenhaus, als wären sie für die Nacht nach Hause gegangen und hätten uns zum Spielen zurückgelassen.
Und es ist der reinste Jux. Das ist die andere Seite von Dublin. Was du einfach nicht begreifst: dass sie aus allem einen Jux machen müssen, selbst im Bett. Bis du gehst – dann stehen sie mitten in der Nacht vor deinem Fenster, kreischen und werfen mit Flaschen. Oder sie nehmen vielleicht eine Überdosis, nur so aus Jux und Dollerei.
Also beobachtete er sie.
Er lief in ihrer Wohnung in der North Circular Road oder in seinem Zimmer in Harald’s Cross umher und versuchte, sie einem Datum oder einem Ort zuzuordnen – nackt, wie sie war -, versuchte, sie zu fixieren, selbst wenn er sich von Kleinigkeiten ablenken ließ, von dem Gefälle ihrer Wimpern oder von der verzerrten Maserung ihrer Haut, wenn sie sich umdrehte, um zur Nachttischlampe zu greifen.
Sie behauptete, Sex sei ein Akt der Imagination, aber er behauptete, Sex sei ein Sprechakt. Er hatte das Gefühl, sie vollzuquatschen.
Und hinterher erzählte er ihr vom Tod seines Vaters.
Er erinnerte sich, wie die Freundin seiner Mutter, Caitlin, mit ihm und seinem Bruder im Park spazieren gegangen war, damit sie mal aus dem Haus kamen und ihre Mutter sich der Extravaganz ihrer Trauer hingeben konnte. Als es geschah, war er so jung gewesen, dass er
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