Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
kann, verstehen Sie, also zwei mehr, denn es gibt immer einen Haken.
Man könnte sagen: »Nun, mein erster Wunsch wäre ein schöner Körper.« »Simsalabim«, sagt der Engel, »hier ist dein schöner Körper.« Und wenn man an sich herabsieht, ist es noch immer das alte Gestell, und der Engel sagt: »Nun, er ist doch schön – die Art, wie ein Knochen sich zum anderen fügt, wie das Blut strömt, wie das Hirn arbeitet, und all das.« Mag ja sein – unter den allgemeinen Gegebenheiten -, aber man sagt: »Nein! Nein!«, und stößt etwas aus wie: »Ich will einen Körper wie Raquel Welch.« Die ist natürlich längst steinalt, sodass man nur einen Haufen Silikon und Arthritis erhält. Oder schlimmer noch: Man erbittet sich einen Körper wie den von Marilyn Monroe, die schon tot, um nicht zu sagen: verwest ist, oder man bittet um den Körper eines »Filmstars«, und der Engel schenkt einem den von Marlon Brando.
Oder man bekommt den Körper eines derzeitigen Filmstars, sagen wir, den von Nicole Kidman, und sie reicht Klage ein – warum auch nicht? -, läuft sie doch in deinem alten Sack herum, und jeder sagt, der sei nur eine Prothese, wie die bescheuerte Nase, die sie getragen hat. Geschieht ihr recht.
Der dritte Wunsch muss also alles richten. Man denkt schwer nach und sagt ewig lange überhaupt nichts, um dann äußerst vorsichtig zu formulieren: »Ich möchte einen Körper wie Raquel Welch in Eine Million Jahre vor unserer Zeit .« Und: Tadah! – das komplette Ding, bis hin zum Fellbikini, nur das Gesicht bleibt unverändert. Man ist eine Art missgestaltete Alte mit einem Atombusen, wie diese Plastikdinger, die Männer beim Junggesellenabschied tragen. Oder das Gesicht verändert sich doch – weil das Gesicht natürlich Teil des Körpers ist -, und die Enkelkinder erkennen einen nicht wieder, niemand lässt einen mehr ins Haus, und man endet als eine Art Halbprostituierte, nur um sich das Fahrgeld für den Bus zu verdienen, der einen zu der Stelle bringt, wo der Engel im strahlend blauen Himmel verschwunden ist.
Alles nur eine Frage der Semantik, wie mein Sohn Jimmy sagen würde.
Man muss also zuerst um die drei zusätzlichen Wünsche bitten, sage ich, dann hat man genug, um es richtig zu machen. Und richtig macht man es, indem man natürlich um den Körper bittet, den man früher hatte, um den gleichen alten Knochenhaufen, der einen morgens in den Bus hievt, und danach hat man noch zwei Wünsche frei.
Und beim nächsten Wunsch sagt man: »Ich hätte gern noch drei Wünsche frei, bitte.«
Verstehen Sie?
Verrückt. So was geht einem durch den Kopf bei dieser Arbeit, beim Kehren oder Wischen – eine Endlosschleife, Putzen. Kaum vorbei, wieder von vorn, kaum vorbei, wieder von vorn. Das Hirn beginnt, im Kreis zu laufen, und man muss sich schon für die richtige Strecke entscheiden, oder man endet als U-Bahn-Bombenleger, und alle, die man je geliebt hat, liegen im Leichenschauhaus. Ich schaffe es, von einem Zigarettenstummel auf den Großen Brand von London zu kommen, noch ehe ich den Aschenbecher gesäubert habe, was dazu führt, dass ich bis spät am Abend dableibe und dem Gesang lausche. Ich stehe hinten in der Dunkelheit des Gangs, denn man muss ja auf seinen Kopf achten und sich was Positives aussuchen, woran man denken kann, wie mein Sohn Jimmy mir erklärt, zum Beispiel an einen Lotteriegewinn, den er aber auch nicht gutheißen würde. Denn ich hatte meine Höhen und Tiefen im Leben.
Es hört nie auf. Putzen. Es hört nie auf. Los geht’s, noch mal von vorn, putzen, was bereits geputzt war, und es dann von Neuem putzen. Ich fange oben im Haus an und arbeite mich stetig nach unten vor, Logen, Sperrsitze, Parterre. Ich höre die anderen Frauen staubsaugen oder rufen, und auf der Treppe begegnen wir uns. Ich rauche nicht. Viele von den Frauen rauchen. Aber da kommen ganz schön viele Kilometer zusammen, wenn man dauernd rauf und runter muss, um zur Hintertür zu gelangen. Nein. Ich fange immer früh an – mit etwas
Angenehmem: mit Messing oder Holz, ganz hinten, wo niemand hinkommt. Manchmal beginnen sie mit der Probe, bevor wir fertig sind, eigentlich nur Bruchstücke und einzelne Brocken, aber ich liebe den Gesang. Hin und wieder wird etwas Besonderes gegeben, und ehe man sich’s versieht, rückt einem das Publikum auf die Pelle. Nicht dass die Leute Notiz von mir nehmen würden. Das tun sie nicht. Sie schauen, aber sie sehen nichts – soll mir recht sein. Ich bin die unsichtbare Frau, sage ich
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