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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright
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hoch.
    »Antwort«, sagte Stephanie. »A steht für A-A-Antwort.« Und die Kinder lachten, obwohl sie nicht recht wussten, was daran witzig war. Sie lachten in einem fort, um dann
noch eine Weile über den Klang ihres eigenen Gelächters zu lachen.
    »Wie buchstabiert man ›falsch‹?«, fragte Kenneth, der Älteste.
    »F-A-L-S-C-H«, antwortete Hazel.
    »F steht für falsch«, sagte er. »F steht für falsche Antwort«, und da mussten sie wieder lachen; dieses erstaunliche, endlose, sinnlose Gelächter – und diesmal stimmte auch der Kleine ein.
     
    Er war eingeschlafen, ehe sie noch das Hotel erreichten. Das Wetter war umgeschlagen, und sie mussten ihn über einen windgepeitschten Parkplatz tragen, er aber gab keinen Mucks von sich. Auch als Hazel ihn im Zimmer aus dem Kindersitz hob, wurde er nicht wach – und so legte sie ihn aufs Bett, wie er war: im Tiefschlaf, mit schmutziger Windel und milchverkrustetem Strampelhöschen.
    »Er wird jeden Moment aufwachen«, sagte sie. »Er muss gestillt werden.« Doch das tat er nicht: nicht zum Stillen, nicht als John in die Bar hinunterging, um Drinks zu besorgen. Er verschlief den Rest eines Fernsehfilms und eine weitere Runde Drinks, und er verschlief den lautstarken Wortwechsel seiner Eltern, die sich zu beiden Seiten des Bettes, auf dem er lag, anbrüllten. Der Streit war ganz unvermittelt ausgebrochen.
    »Und du kannst deiner beschissenen Schwester sagen, dass ich ihr beschissenes Haus nicht will.«
    »Behauptet ja auch keiner, dass du es willst.«
    »Mein Gott, manchmal denke ich, du tust nur so blöd, und manchmal denke ich, du bist es tatsächlich. Du
kannst nicht über die Teppiche reden, ohne dass sie daran denkt, was du auf dem Boden auslegen wirst, falls du sie rausschmeißt, wenn der Alte gestorben ist.«
    »Also, du bist«, sagte er mit zitternder Stimme. »Also, du bist wirklich …«
    »Darauf kannst du Gift nehmen.«
    »Das hast du toll hingekriegt. Wirklich toll.«
    »Ach, halt doch die Klappe.«
    »Also um den Teppich geht es? Ich dachte, du redest von meinem Vater.«
    »Was soll’s.«
    »Ich dachte, du hättest eben von meinem Vater geredet.«
    »Nein, ich rede nicht von deinem Vater. Genau davon rede ich nicht. Du bist derjenige, der von deinem Vater redet. Wirklich. Oder der nicht von deinem Vater redet. Oder was immer in eurer beschissenen Familie als Reden durchgeht.«
    »Du bist vielleicht eine hochnäsige Fotze.«
    »Ja, das bin ich. Ja, das bin ich, verdammt noch mal. Und ich will das fette Scheiß-Haus deiner Scheiß-Schwester nicht haben.«
    »Es ist doch überhaupt nicht ihr Haus.«
    »Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich nicht darüber reden, wessen Haus es ist, wirklich nicht. Wir kriegen unser eigenes Haus.«
    »Wir haben unser eigenes Haus.«
    »Ein richtiges Haus, verdammt noch mal!!!«
    Hazel war so wütend, dass sie Angst hatte, irgendetwas zu zerdeppern oder einen Prolaps zu erleiden; nach der Geburt des Babys war auf ihren Körper weniger Verlass.
Unterdessen schlief der Grund, aus dem sie überhaupt ein Haus benötigten, ungerührt weiter. Der Wonneproppen atmete ein und aus. Sein Mund lächelte.
    Das Baby schlief, als wüsste es, was es tat. Das Baby schlief, als verschlinge es den Schlaf geradezu, die Vorderseite steif von angetrockneter Nahrung, das Hinterteil weich von Kacke. Es schlief, als gebrüllt wurde und eine Haarbürste durchs Zimmer flog, und auch dann noch, als sein Vater in Richtung Hausbar stürmte. Es schlief, als sein Vater zwanzig Sekunden später wiederkam, um etwas sehr Ausgewogenes und sehr Aufschlussreiches von sich zu geben, und als seine Mutter ihn mit doppeltem Fauststoß wieder in den Gang hinausdrängte und schrie, er könne in der beschissenen Bar übernachten. Es schlief, als seine Mutter in Kummer und Tränen zerfloss, als das Wasser aus den Hähnen toste und ihr Körper sich traurig schwappend und tropfend in der Wanne bewegte. Erst als Hazel sich für einen Moment unter der Decke verkrochen hatte und eingeschlafen war, beschloss der Kleine, aufzuwachen und gellend zu schreien. Vielleicht hatte die Stille ihn aufgeweckt. Allerdings, dachte sie, hörte sich sein Gebrüll genauso an wie in anderen Nächten auch, sodass es unmöglich war festzustellen, welchen Schaden er durch all das davongetragen hatte: durch den völligen Zusammenbruch der Liebe, deren Resultat er war. Konnte Zorn ihm tatsächlich schaden, wenn er noch nie zuvor welchen gehört hatte?
    Mit dem Fläschchen, das noch immer

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