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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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Gewisse Bücher konnten Aufmerksamkeit erregen, bestimmte Autoren, zu einer bestimmten Zeit. Sogar überragende Bücher, so wusste er, mussten vorher verkauft werden.
    Anders als andere reiche Männer fragte er sich nicht, ob er wirklich so viel besser war als irgendein heruntergekommener Mann, dem er auf der Straße begegnete. Vielleicht gab es da eine tiefsitzende Angst, all sein Geld zu verlieren, aber es war nichts im Vergleich zu der Angst, die Frauen haben. Er rauchte Cohibas, und manchmal ließ er Baum eine Kiste nach New York schicken. Er achtete auf sein Gewicht. Bei Dingen, die er besonders gerne aß, sollte seine Frau ihn erinnern, sich zurückzuhalten. Manchmal, wenn er sehr darum bat, sagte sie, na gut, aber nur ein ganz kleines Stück. Bei einem großen Dinner beobachtete sie, wie er gerade etwas Verbotenes essen wollte, und wackelte nur ganz leicht mit dem Finger. Sie war für alle Dinge des täglichen Lebens zuständig. Jeder seiner Wünsche lief über sie. Sie hatte ihn zum Kauf ihres Landhauses bewegt, auch wenn ihn das Land nicht interessierte. Sie wollte ein kleines Haus in der Nähe von Deauville, er aber mochte Frankreich nicht. Er mochte das Claridge’s, unter seinesgleichen sein, hin und wieder mit jungen Frauen reden. Und er saß gerne in seinem Arbeitszimmer und sah sich den Bacon an, den seine Frau, wie sich herausstellte, nicht mochte.
    Nur eine kranke Person konnte so etwas malen, sagte sie.
    »Er ist nicht so krank, wie du denkst«, sagte Wiberg. »Ganz im Gegenteil. Ich halte ihn im Innern für einen äußerst freien Menschen. Wenn man jemanden, der Sklave seiner Leidenschaften ist, frei nennen kann.«
    »Und welche Leidenschaften sind das?«
    »Alkohol. Sadistische Liebhaber. Es geht aber nicht nur um Leidenschaft. Die Farben sind so fantastisch. Das Schwarz, die fleischige Haut, das Violett. Fast als würde man eine unheimliche Musik hören. Oder Stille.«
    »Ich finde vor allem die Zähne scheußlich.«
    Sie waren auf einer Ausstellung von Bacons Porträts gewesen.
    »Oder wie er die Gesichter in einen grässlichen Brei verwandelt«, sagte sie.
    Catarina sah noch immer glänzend aus, auch wenn sie seit Jahren nicht mehr aufgetreten war. Sie hatte eine gute Figur, sie besaß noch eine Taille, und ihr Hals war straff. Sie sah viel jünger aus, als sie in Wirklichkeit war. Sie nannte ihn immer noch ihren cochon und fand interessant, was er sagte, außer wenn er zu lange über sich selber sprach. Seine Liebe zu Bacon war unerklärlich. Er besaß auch einen Corot, viele Drucke und ein Gemälde von Braque.
    Wiberg war Bacon nie begegnet, hatte aber viel über ihn gelesen, sein ausschweifendes Leben, die Jahre in Marokko mit eher billigen jungen Männern. Bei Bacon sah man den Glanz einer grässlichen Scheinheiligkeit. Es gab die Liebe zum Fleisch und den Ekel davor, es gab erschütternden Zerfall. Es gab alles, was einem im Leben in der Welt passierte. Und er verstand sich auszudrücken. Seine Sprache stammte aus den irischen Küchen und der Stube, und aus den Ställen, wo ihn als Junge die Stallburschen genommen hatten. Seine Eloquenz verdankte er der Kälte und Missbilligung seines Vaters und der großen Freiheit, als er in Berlin mit all seinen Lastern ein neues Leben begann, und natürlich Paris. Er war Teil der Unterwelt mit ihrer verkommenen Sprache von Klatsch und Verrat. Er hatte sich nie versteckt. Er hatte auch nicht versucht, der Vorstellung eines Künstlers zu entsprechen, wodurch er nur noch größer wurde. Seine Liebhaber hatten sich durch Alkohol oder andere Drogen zu Tode gebracht. Und inmitten all dieses Drecks, und seiner Vorliebe für elegante Kleidung und der Verachtung der Zwänge, denen sich andere unterwarfen, hatten sein Müßiggang und seine Obsessionen die Wände bespritzt und ihn befreit. Er übermalte niemals eine Leinwand. Es war immer endgültig.
    Eine fantastische Biografie wartete darauf, geschrieben zu werden, dachte Wiberg, aber erst wenn Bacon gestorben war. Bacon war 1909 geboren, elf Jahre vor Wiberg. Er würde Glück haben müssen.
    Enid Armour kannte Bacon zufällig. Sie erwähnte es eines Abends bei einem Dinner, und Wiberg war sofort interessiert. Sie sei ihm wenigstens zweimal in einem Club in Soho begegnet, in den er immer ging. Henrietta Moraes hatte sie vorgestellt. Wie war er?, fragte Wiberg.
    »Er war nett. Wir haben uns gut verstanden. Ich hatte gehofft, er würde ein Porträt von mir malen und mich berühmt machen. Ich weiß, du hast dieses

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