Alles, was ist: Roman (German Edition)
sich zu ihr hingezogen, aber sie war zu jung – er glaubte, sie wäre höchstens fünfzehn. Er war bereits ein Mann. Er war im Krieg gewesen. Als sie heirateten, hatte Diana so gut wie keine sexuellen Erfahrungen. Sie war nie mit einem anderen Mann zusammen gewesen. Ich bezweifle, ob meine Mutter je mit einem anderen Mann zusammen war, sagte sie, und was hat sie verpasst? Ich denke, nichts.
Sie war mit dem Eheleben vollkommen glücklich, mit der Vertrautheit, die man nirgendwo sonst finden konnte. Sie wusste, dass die Meinungen darüber auseinandergingen, dass junge Frauen jetzt viel freier waren, vor allem vor der Ehe, und dass zweite und sogar dritte Ehen gang und gäbe waren und oft glücklicher verliefen, aber all das fand außerhalb ihres eigenen Lebens statt. Sie und ihr Mann waren unzertrennlich. Es ging im Grunde viel tiefer als eine Ehe, aber ach, hatte sie ihren Vater geliebt. Seine Ansichten und Ideale hatten sie geformt.
Es gab Vermutungen, Baum hätte etwas mit einer Frau im Büro angefangen und dass Diana auch davon wusste – mit Sicherheit hätte sie davon gewusst –, aber wie sie und ihr Mann darüber sprachen, blieb unter ihnen. Die Frau, die später bei einem anderen Verlag in der Presse arbeitete, war eine große, katholische Frau namens Ann Hennessy, mit langen Armen und Beinen und einer leicht reservierten Art. Mit achtunddreißig war sie noch ledig, hatte aber durchaus eine Vergangenheit. Baum mochte ihren Humor. Er ging mit ihr oft zu ausgedehnten Lunchs. Man sah sie miteinander, aber sie schienen nie etwas zu verbergen. Zweimal war sie mit nach Frankfurt geflogen.
Bowman mochte Diana sehr, auch wenn er ihr gegenüber meist etwas zurückhaltend war. Er mochte sie mehr als sie ihn, da war er sicher, oder mehr, als sie zeigte, aber an dem Abend in dem Restaurant war sie ungewöhnlich offen, fast so, als würden sie sich häufiger sehen.
»Ich würde gerne in Italien leben«, träumte sie laut.
»Wer würde das nicht, Liebling«, sagte Baum.
»An eines muss ich immer denken. In Italien haben sie die Juden nicht zusammengetrieben. Mussolini hat es nicht erlaubt, da kann man über ihn sagen, was man will.«
»Mussolini hat aber Ezra Pound gerne seine Radiosendungen überlassen. Das war in Ordnung für ihn.«
»Ach, Ezra Pound«, sagte Diana. »Ezra Pound war verrückt. Wer hat sich schon Ezra Pound angehört?«
»Wahrscheinlich nicht sehr viele. Ich glaube, es war sowieso Kurzwelle, aber es geht um das Prinzip.«
»Ich finde, sie hätten ihm den Preis nicht geben dürfen, ich meine den Bollingen. Sowie sie konnten, haben sie es getan. Es war zu früh dafür. Man ehrt keinen Menschen, der einen mit Dreck bewirft und nichts als Ignoranz und Hass schürt.«
Baum war im Krieg gewesen, aber er kannte auch Männer und hatte sie sogar veröffentlicht, die ihn umgangen hatten, die eine Zurückstellung hatten erwirken können oder bei der Musterung durchgefallen waren, aber das war eben nur feige. Es war etwas anderes, dem Feind zu helfen, etwas anderes, zum Schluss wieder nach Italien zurückzukehren und im Hafen von Neapel den Arm zum Faschistengruß zu heben.
»Ich war dagegen«, sagte er.
»Ja, aber du hast nichts gesagt. Bist du nicht auch meiner Meinung?«, sagte sie zu Bowman.
Sie wurden von einem gutgekleideten Mann in einem schwarzen Anzug unterbrochen, der an ihren Tisch gekommen war und sagte:
»Hallo, Bobby.« Und zu Diana: »Hi, Schätzchen.«
Er wirkte erfolgreich, sportlich, seine frisch rasierten Wangen glänzten geradezu. Er war ein Freund und früher Förderer namens Donald Beckerman.
»Ich möchte euch nicht beim Essen stören«, sagte er. »Ich wollte nur, dass Monique euch mal kennenlernt. Sweetheart«, sagte er zu der Frau neben sich. »Das sind Bob und Diana Baum. Er ist ein legendärer Verleger. Das ist meine Frau Monique.«
Sie hatte dunkles Haar, einen breiten Mund, sie wirkte schlau und nicht leicht zu handhaben.
»Kommt, setzt euch kurz«, sagte Baum.
»Und? Wie läuft’s?«, sagte Beckerman, als sie sich gesetzt hatten. »Irgendwelche neuen Bestseller?«
Er war einer von drei Brüdern, die ins Investmentgeschäft eingestiegen waren und viel Geld gemacht hatten. Der mittlere Bruder war gestorben.
»Ich bin Don«, sagte er zu Bowman und streckte ihm die Hand entgegen.
Der Kellner war zu ihnen an den Tisch gekommen.
»Soll ich Ihnen die Karte bringen, Sir?«, fragte er.
»Nein, wir sind an dem Tisch dort drüben. Wir haben uns nur kurz
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