Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
Vom Netzwerk:
kannten keine Verachtung gegenüber Genuss und materiellen Dingen. Er hätte eine heiraten und Teil dieser Welt werden können, nach und nach aufgenommen werden wie ein Konvertit. Er hätte unter ihnen leben können, im engen Familienkreis, diese besonderen Bande, die sich über alle Zeiten gebildet hatten, ein vertrautes Gesicht am Sedertisch, bei Geburtstagszusammenkünften, Beerdigungen, mit Hut, und er wirft eine Hand Erde in das Grab. Er fühlte ein Bedauern, es nicht getan, nicht einmal die Chance gehabt zu haben. Andererseits konnte er es sich auch nicht wirklich vorstellen. Er hätte nie dazugehört.

26. Nichts ist Zufall
    Ein Zug war gerade abgefahren, und in der Menge, die auf der Treppe nach oben drängte, war er fast sicher, sie gesehen zu haben, ihr Gesicht war abgewandt. Sein Herz setzte einen Schlag aus.
    »Anet!«, rief er.
    Sie sah ihn und blieb stehen, Menschen drängten an ihr vorbei.
    »Hi«, sagte sie. »Hallo.«
    Sie stellten sich an die Seite.
    »Wie geht es dir?«, fragte er.
    »Gut.«
    »Lass uns kurz nach oben gehen.«
    Er war auf dem Weg zum Zug. Nur eine Minute früher, und er hätte am Gleis gestanden und wäre eingestiegen, und sie wäre so gut wie sicher aus einer anderen Tür gekommen, und sie hätten sich nicht gesehen.
    »Wie geht es dir?«, fragte er wieder. »Gehst du aufs College? Es ist so lange her.«
    »Nein, ich mein, ich geh schon aufs College, aber ich mach grad eine Pause. Ich hab mir ein Jahr freigenommen.«
    Sie trug keinen Lippenstift. Von unten hörten sie das schrille Quietschen eines einfahrenden Zuges und das Rumpeln der nachfolgenden Waggons.
    »Und? Was hast du vor?«
    »Es ist wirklich witzig. Tatsächlich suche ich gerade einen Job.«
    »Wirklich? Was für einen Job?«
    Sie lachte ein wenig, als sie es sagte:
    »Eigentlich suche ich etwas in einem Verlag.«
    »Im Verlag? Das ist ja eine Überraschung. Wie kommt’s?«
    »Ich studiere im Hauptfach Literatur«, sagte sie mit einem leicht ungläubigen Gesicht.
    Sie war so natürlich, er freute sich wirklich, sie zu sehen.
    »Was für ein Zufall, dass wir uns hier treffen. Hör mal. Ich gebe morgen eine kleine Party für eine Freundin von einem britischen Verlag, Edina Dell. Es kommen noch ein paar andere Leute. Nichts Großes, nur auf ein paar Drinks. Warum kommst du nicht vorbei?«
    »Morgen?«, sagte sie.
    »Ja, so gegen halb sechs. Bei mir im Apartment. Weißt du noch, wo das ist? Warte. Ich schreib es dir auf.« Er schrieb es auf eine Karte.
    Sie gingen zusammen zur Straße hoch, um sich zu verabschieden, und standen noch einen Moment an der Ecke. Er nahm die Gebäude um sich herum kaum wahr, den Verkehr, die grelle Leuchtreklame. Sie ging in Richtung Osten. Er sah ihr nach, sie war jünger und irgendwie besser als andere in der Menge. Er hatte sie immer gemocht.
    Er bezweifelte, dass sie kommen würde. Sie musste von dem Prozess und den Folgen gehört haben und ihn als Feind betrachten. Wie sich herausstellte, irrte er sich.
    Sie kam ein wenig spät. Sie betrat fast unbemerkt den Raum, überall standen Leute, tranken und unterhielten sich, darunter wenigstens eine Person in ihrem Alter, Edinas Tochter Siri, schlank und dunkel mit vollem, buschigem Haar. Edina trug ein langes, hauchdünnes Kleid in Rosé und Violett. Sie nahm Anets Hand und sagte: »Wer ist dieses hübsche Mädchen?«
    »Das ist Anet Vassilaros«, sagte Bowman.
    »Ah, eine Griechin.«
    »Nein, aber mein Vater«, sagte Anet.
    »Die Liebe meines Lebens war ein Grieche«, sagte Edina. »Ich bin ständig nach Athen geflogen, um ihn zu sehen. Er hatte ein wunderbares Apartment, wie für eine Großfamilie. Ich konnte ihn nie dazu bringen, mit mir zurückzukommen. Arbeitest du in einem Verlag? Nein, du studierst sicher noch.«
    »Nein, ich suche sogar gerade etwas in einem Verlag.«
    »Da wirst du sicher bald etwas finden.«
    Bowman stellte sie noch ein paar anderen Leuten vor. Das ist Anet Vassilaros, sagte er. Unter anderem zwei Frauen, ungefähr in Edinas Alter, Frauen, die arbeiteten und deren Namen sie nicht verstand. Es gab auch noch einen großen englischen Agenten, Tony soundso. Bowman hatte Blumen gekauft und sie hier und da arrangiert.
    Sie sprach mit Siri, die eine sanfte Stimme hatte und irgendwo in London studierte.
    »Ist sie adoptiert?«, fragte Anet Bowman, als sie die Gelegenheit hatte.
    »Nein, sie ist ihre Tochter. Der Vater ist Sudanese.«
    »Sie ist wirklich schön.«
    Tony war gegangen und hatte sich von ihr verabschiedet. Um

Weitere Kostenlose Bücher