Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
Vom Netzwerk:
Küche, um sich dort zu verstecken und auf ihn zu warten.«
    »Ist das wirklich passiert?«
    »Nein, nein. Er hat es in Spanien geschrieben.«
    »Die Geschichte ist also erfunden.«
    »Man würde es nicht glauben, wenn man sie liest. Das ist das Erstaunliche, dass man es wirklich glaubt.«
    »Und? Töten sie ihn?«
    »Es kommt noch besser. Sie töten ihn nicht. Er kommt nicht. Er weiß, dass sie hinter ihm her sind. Aber sie werden wiederkommen. Er ist riesig, ein Boxer eben. Aber ganz egal. Was er auch getan hat, sie werden ihn töten. Und er liegt in seiner Pension auf dem Bett und starrt an die Wand.«
    Sie nahmen die Karte und studierten sie.
    »Was nimmst du?«, fragte Vivian.
    »Ich denke, ich nehme Eier und Taylor-Schinken.«
    »Was ist Taylor-Schinken?«, sagte sie.
    »Schinken aus der Gegend hier. Ich hab nie nachgefragt.«
    »Gut. Das nehm ich auch.«
    Er mochte es, mit ihr zusammen zu sein. Wenn sie bei ihm war. Es waren nur wenige Gäste im Diner, sie wirkten so farblos neben ihr. Alle waren sich ihrer Gegenwart bewusst. Es war unmöglich, es nicht zu sein.
    »Ich würde Hemingway gerne kennenlernen«, sagte er. »Nach Kuba runter und ihn treffen. Wir könnten zusammen fahren.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie. »Vielleicht.«
    »Du musst unbedingt etwas von ihm lesen«, sagte er.
    Beatrice hatte sie natürlich kennenlernen wollen, und auch sie war von ihrer Erscheinung beeindruckt, aber auf eine andere Art. Diese Frische und nackte, tierhafte Präsenz, wie viel man auf den ersten Blick erkannte! Sie hatte Blumen gekauft und den Tisch im Speisezimmer gedeckt, an dem sie nur selten aßen; für gewöhnlich benutzten sie den Tisch in der Küche, der mit einem Ende an der Wand stand. Die Küche mit den offenen Regalen anstelle von Schränken war das Herz des Hauses, neben dem Wohnzimmer, in dem sie am Abend oft vor dem Kamin saßen, etwas tranken und sich unterhielten. Und jetzt war da dieses Mädchen mit etwas steifen Manieren. Sie kam aus Virginia, und Beatrice fragte, aus welchem Teil. Middleburg?
    »Wir wohnen eigentlich näher bei Upperville«, antwortete Vivian.
    Upperville, das klang ländlich und klein. Es war tatsächlich klein, es gab nur ein Restaurant, die Stadt hatte keine eigene Wasserversorgung. Seit hundert Jahren hatte sich dort nichts verändert, die Menschen mochten es so, ob sie nun in einem alten Haus ohne Heizung lebten oder auf tausend Morgen Land. Upperville war im County und darüber hinaus jedem ein Begriff, das Wahrzeichen einer stolzen und konfessionsbewussten Klasse, zu der auch Vivian gehörte. Übernachten konnte man nirgends, man musste dort schon wohnen.
    »Das Land ist wirklich wunderschön«, sagte Bowman.
    Beatrice sagte: »Ich würde es gerne einmal sehen. Was macht deine Familie?«
    »Wir haben eine Farm«, sagte Vivian. »Mein Vater nutzt das Land im Grunde wenig, aber wir verpachten es als Weideland.«
    »Das muss ja riesig sein.«
    »Nein, nicht wirklich. Es sind ungefähr vierhundert Morgen.«
    »Wie interessant. Und abgesehen von der Landwirtschaft, was gibt es sonst zu tun?«
    »Daddy sagt, es gibt immer etwas zu tun. Er meint damit die Pferde.«
    »Pferde.«
    »Ja.«
    Es war nicht etwa schwer, sich mit ihr zu unterhalten, man spürte nur sofort die Grenzen. Vivian war aufs Junior College gegangen, wahrscheinlich auf Rat ihres Vaters, der sie aus Dummheiten heraushalten wollte. Sie hatte ein gewisses Auftreten, ein Selbstbewusstsein, das sich auf Dinge stützte, die sie von Grund auf kannte, und das hatte bislang gereicht. Wie alle Mütter hoffte Beatrice auf ein Mädchen, das ihr ähnelte, mit der sie reden konnte und deren Ansichten vom Leben sich perfekt mit ihren verbinden ließen. Unter ihren Schülerinnen hatte es über die Jahre immer wieder Mädchen gegeben, an die sie dabei dachte, gute Schülerinnen mit einer natürlichen Anmut, die beliebt waren und bewundert wurden, aber es gab auch andere, die sie weniger verstand und deren Schicksal sie nicht weiter verfolgte.
    »Stammte Liz Bohannon nicht aus Middleburg?«, sagte Beatrice und kam auf eine Dame der Gesellschaft aus den 1930er Jahren zu sprechen, die Rennpferde besaß und gemeinsam mit ihrem Mann ständig auf irgendwelchen Schiffen nach Europa oder in ihrer Loge in Saratoga abgelichtet worden war.
    »Ja, sie hat ein großes Gestüt. Sie ist eine Freundin meines Vaters.«
    »Lebt sie denn noch?«
    »Oh ja, und wie.«
    Es gebe viele Geschichten von ihr, sagte Vivian. Als sie ihr Haus kauften, Longtree, so

Weitere Kostenlose Bücher