Alles, was ist: Roman (German Edition)
Anzug, seine Schuhe waren poliert. Amussen saß bereits am Tisch, als der Kellner ihn hereinführte. Über die Tische hinweg konnte er seinen zukünftigen Schwiegervater sehen, er saß am Tisch und las, und mit einem Mal erinnerte sich Bowman an den Morgen, als er Mr Kindrigen aufgesucht hatte, obwohl das lange hinter ihm lag. Er war jetzt sechsundzwanzig, mehr oder weniger etabliert und bereit, auf Vivians unzugänglichen Vater den richtigen Eindruck zu machen, der mit glatt zurückgekämmtem Haar vollkommen entspannt und allein für sich wie eine Figur aus dem Krieg wirkte, vielleicht sogar jemand von der anderen Seite, ein Kommandant oder Pilot der Luftwaffe. Es war Mittag, und die Tische füllten sich allmählich.
»Guten Morgen«, sagte Bowman zur Begrüßung.
»Guten Morgen. Schön, Sie zu sehen«, antwortete Amussen. »Ich schaue mir gerade die Karte an. Setzen Sie sich doch. Wie ich sehe, gibt es Maifischrogen.«
Bowman sah in die Karte, und sie bestellten sich einen Drink.
Amussen wusste, warum der junge Mann gekommen war, und hatte sich in Gedanken die wichtigsten Punkte seiner Antwort bereits zurechtgelegt. Er war ein methodischer Mann mit bestimmten Überzeugungen. Eine der größten und weithin vernachlässigten Gefahren der Gesellschaft war seiner Meinung nach die Durchmischung der Rassen, die Aufhebung der Rassengrenzen, was am Ende nur schreckliche Folgen haben konnte. Er kam aus dem Süden, vielleicht nicht aus dem tiefen Süden, aber doch aus dem Teil, den man Dixieland nannte, wo die grundlegende Frage seit jeher lautete: Was sind deine Wurzeln? Seine waren gut. Er besaß das Silber seiner Urgroßmutter und ein paar ihrer Möbelstücke aus Kirschbaumholz und Walnuss. Und er hatte seine zwei Töchter großgezogen und besonders darauf geachtet, dass sie gut reiten konnten und sich in Gesellschaft zu benehmen wussten. Er war aufs College gegangen, auf die Universität von Virginia, hatte das Studium aber im vorletzten Jahr aus finanziellen Gründen abgebrochen, etwas, das er nie wirklich bereute. Er hatte an der Universität von Virginia studiert, sagte er, wenn er gefragt wurde. Sein Vater war früher Lagerverwalter gewesen, ein angesehener Mann, der Name Amussen war weithin respektiert, abgesehen vielleicht von einem Vetter in der Nähe von Roanoke, Edwin Amussen, der eine Tabakfarm besaß und nie geheiratet hatte.
Tatsächlich hatte er aber eine Frau, ein farbiges Mädchen, so hieß es, Anna, die siebzehn gewesen war, als sie zu ihm ins Haus kam, um als Köchin zu arbeiten. Annas Haut war dunkel, eine satte, tiefe Farbe, pflaumenfarben, wie er sagte, duftend, mit vollen, wissenden Lippen. Zwei- oder dreimal in der Woche kam sie am Morgen über die Hintertreppe in das Schlafzimmer im ersten Stock, ein großes Zimmer mit einer schattigen Veranda. Er war kurz zuvor aufgestanden, um sich zu waschen und sich dann in der Kühle des Zimmers noch eine halbe Stunde aufs Bett zu legen, während sie unten in der Küche hantierte. Die Vorhänge waren zugezogen, er lag im dämmrigen Licht. Sobald sie ins Zimmer kam, zog sie ihr Baumwollhemd aus und legte sich mit nacktem Oberkörper über das Bett, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Auf ihren nackten Rücken mit dem kräftigen Hintern platzierte er dann in einer gewissen Anordnung fünf Silberdollar, einen in ihrem Nacken, einen etwas darunter und einen dritten noch weiter unten am Ansatz von ihrem Gesäß. Die letzten beiden legte er auf ihre Schultern wie auf die Flügel eines Kreuzes. Ohne Eile hob er ihren Rock, vorsichtig, als wollte er alles genau untersuchen, an diesen Morgen hatte sie nichts darunter an. Sie bereitete sich vor, stutzte sich manchmal ein wenig, und ließ ihn langsam wie in der Ruhe eines lauen Sommerabends oder langen Nachmittags beginnen, oft sprach er vom Essen, was er sich an den nächsten Abenden wünschte.
Dies ging fünf Jahre so, bis sie zweiundzwanzig war und ihm eines Morgens im Anschluss sagte, dass sie heiraten würde. Kein Grund, etwas zu ändern, sagte er geradeheraus, aber sie sagte nein. Hin und wieder allerdings, da sie sich noch immer frei im Haus bewegte, tauchte sie unaufgefordert am Morgen auf.
»Ärger zu Hause?«, sagte er.
»Nein. Nur Gewohnheit«, sagte sie und legte sich mit dem Oberkörper auf das Bett.
»Heute bekommst du sechs.«
»Kein Platz dafür.«
»Hier.«
Er legte ihr die Münze in die Hand, ihre Handfläche, die er liebte.
Niemand wusste von der Sache, es existierte für sich wie die
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