Alles, was ist: Roman (German Edition)
wurde es kälter.
Am Morgen konnte man durch die halb vereisten Fenster die weißen Felder sehen, nicht ein Fußabdruck darauf, nicht eine Spur. Das Weiß reichte bis in die Ferne, bis in den Himmel. Zwei der Hunde waren nach draußen gelangt und sprengten durch den Schnee, hinter sich weiße Spuren in der Luft wie von zwei Kometen.
Nach und nach kamen alle zum Frühstück ins Esszimmer herunter. Liz und Dare waren unter den Letzten. Bowman und Vivian waren gerade fertig. Amussen saß noch am Tisch.
»Guten Morgen«, sagte er.
»Guten Morgen.« Liz’ Stimme war etwas heiser. »Seht euch nur den Schnee an«, sagte sie.
»Es hat doch noch aufgehört. War ein richtiger Sturm. Ich weiß nicht, ob die Straßen wieder frei sind. Guten Morgen«, sagte er zu Dare, als sie sich setzte.
»Morgen.« Es war fast ein Flüstern.
»Dein Daddy hat schon angerufen«, sagte Willa, als sie den Kaffee brachte.
Sie saßen und aßen Eier mit Speck. Schließlich stieß Travis zu ihnen. Peter war der Einzige, der nicht erschien.
Etwas Schreckliches war in der Nacht geschehen. Nachdem alle zu Bett gegangen waren und im Haus Ruhe einkehrte, war Peter, der so lange gewartet hatte, wie er konnte, in Unterhose und Hemd in den Flur hinausgetreten und hatte vorsichtig die Tür geschlossen. Das Licht war gedämpft. Alles war still. Leise ging er zu Dares Zimmer und hielt das Gesicht dicht an den Türschlitz. Er flüsterte ihren Namen.
»Dare.«
Er wartete und flüsterte wieder, etwas drängender.
»Dare!«
Er hatte Angst, sie könnte schlafen. Schließlich überwand er seine Furcht und klopfte.
»Dare.«
Er stand da, sich selbst zum Trotz.
»Ich will nur mit dir reden«, wollte er sagen.
Er klopfte erneut und wollte gerade wieder ansetzen, als sein Herz einen Schlag aussetzte und sich die Tür einen Spalt weit öffnete und George Amussen erschien, der mit ruhiger, bestimmter Stimme sagte:
»Geh wieder ins Bett.«
Liz war den ganzen Morgen am Telefon. Sie musste sich entscheiden, ob sie nach Kalifornien fahren würde oder nicht. Sie wollte nach Santa Anita und erkundigte sich nach dem Wetter und ob ihr Pferd auch laufen würde. Schließlich stand ihr Entschluss fest.
»Wir fahren.«
»Bist du auch sicher, Bun?«
»Ja.«
Eddie beobachtete das Ganze ohne Kommentar. Später sagte er:
»Er wird sich nicht lange halten. Sie wird sich jemand anderen suchen.«
Es würde nicht Aly Khan sein, der sich hatte scheiden lassen und im Begriff gewesen war, ein französisches Fotomodell zu heiraten, als er bei einem Autounfall ums Leben kam. Liz las es in der Zeitung. Sie hatte nie wirklich aufgehört davon zu träumen, mit ihm verheiratet zu sein. Ein schöner Traum. In Neuilly am Morgen, sie sehen den Pferden beim Training zu, der frühe Nebel hält sich in den Bäumen. Er in Levi’s und einer Jacke, und dann gehen sie gemeinsam zurück zum Haus und frühstücken. Sie wäre die Frau eines Prinzen und würde zum Islam übertreten. Aber Aly war tot, Ted hatte jemand anderen geheiratet, und ihr zweiter Mann war nach New Jersey gezogen. Aber sie hatte viele Freunde, die einen so, die anderen so, und sie ritt noch immer.
Vivian hatte Weihnachten und das Zuhausesein genossen. Liz, das konnte sie sehen, hatte Philip gemocht, und selbst ihr Vater, der an dem Morgen auffallend guter Laune war, schien ihm freundlicher gesonnen. Sie verabschiedeten sich voneinander, Amussen verabschiedete sich von Liz und dann von Dare, deren Freund sich an dem Morgen nicht wohl fühlte, und rieb ihr etwas Ei aus dem Mundwinkel, während sie miteinander sprachen. Er machte es mit seiner Serviette auf eine väterliche Art.
»Ist Liz Bohannon wirklich die Cousine deines Vaters?«, fragte Bowman später.
»Sie nennen sich nur so, ich weiß auch nicht, warum«, sagte Vivian.
Die Welt war noch immer weiß, als sie nach Washington fuhren, Schnee trieb über die Straße wie Rauch. Gegenwärtig waren es im Stadtzentrum von Washington minus sieben Grad, hieß es im Radio. Die Landstraße verschwand zwischen Windböen. Vivian hatte den Pelz gegen die Kälte hochgeschlagen, die Meilen zogen geräuschlos unter ihnen dahin. Lebwohl, Virginia, mit deinen Feldern und dem merkwürdigen Gefühl der Abgeschiedenheit. Er brachte Vivian nach Hause – und tat dies eigentlich nicht, aber es war, was ihm ein Gefühl von Glück verschaffte.
7. Die Priesterin
Eddins hatte ein Haus in Piermont gefunden, einem kleinen Fabrikstädtchen oben am Hudson, ruhig und parochial, vielleicht
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