Alles, was ist: Roman (German Edition)
In der Ferne lagen die Blue Ridge Mountains, und nur ein oder zwei andere Häuser waren zu sehen.
»Es fängt wieder an zu schneien«, bemerkte sie. »Willa! Wer war das?«
Es kam keine Antwort. Sie rief wieder.
»Willa!«
»Ja.«
»Wer war am Telefon? Was ist mit dir, wirst du taub?«
Eine schmale schwarze Frau war in der Tür erschienen.
»Ich werde nicht taub«, gab sie zur Antwort. »Das war Mrs Pry.«
»P . R.Y?«
»Pry.«
»Was hat sie gesagt? Werden sie kommen?«
»Sie sagt, Mr Pry hat Angst, bei diesem Wetter zu kommen.«
»Ist Monroe hinten in der Küche? Sag ihr, sie soll uns etwas Eis bringen. Kommt«, sagte sie zu Bowman und Vivian. »Ich werd euch herumführen.«
In der Küche blieb sie kurz stehen, um einem Beo, dem einige Schwanzfedern fehlten, ein paar Worte zu entlocken. Er saß in einem riesigen Bambuskäfig, wo er sich eine Art Hängematte gebaut hatte. Monroe arbeitete ohne Hast. Liz nahm einen Regenmantel vom Haken.
»So kalt ist es nicht. Ich kann euch genauso gut die Ställe zeigen.«
Amussen saß im Wohnzimmer auf einem großen gepolsterten Sofa, blätterte durch eine Ausgabe des National Geographic und las hin und wieder eine Bildunterschrift. Ein junges Mädchen kam herein, sie trug Reithose und Pullover und ließ sich aufs andere Ende des Sofas fallen.
»Hallo, Darrin«, sagte Amussen.
Sie war nach einem Onkel benannt worden, mochte den Namen aber nicht und wollte, dass man sie Dare nannte.
»Hi«, sagte sie.
»Wie geht es dir?«
Sie sah ihn an und lächelte leicht.
»Völlig geschröpft«, sagte sie und streckte träge die Arme von sich.
»Redest du immer so?«
»Nein«, sagte sie. »Das mach ich nur für dich. Ich weiß, dass du das magst. Hat mein Vater angerufen?«
»Ich weiß nicht. Anne Pry hat angerufen.«
»Mrs Emmett Pry? Von der Graywillow Farm? Ich bin mit ihrer Tochter Sally zur Schule gegangen.«
»Ja, das bist du wohl.«
»Ich habe ihre Pferde geritten, und sie die Stallburschen.«
»Wie geht es deiner Momma?«, wechselte Amussen das Thema. »Sie ist eine liebe Frau. Hab sie lange nicht mehr gesehen.«
»Ihr geht es besser.«
»Das freut mich«, sagte Amussen und legte die Zeitschrift weg. »Wie ich sehe, geht es dir auch ganz gut.«
»Jeden Morgen auf den Beinen, egal bei welchem Wetter.«
»Wie alt bist du jetzt, Darrin?«
»Warum nennst du mich immer Darrin?«
»Dann eben Dare. Wie alt bist du?«
»Achtzehn«, sagte sie.
Er stand auf und holte ein Glas aus der Bar, die sich zwischen den Bücherborden befand. Er schien nach etwas zu suchen.
»Steht im Schrank darunter«, sagte Dare.
»Wie geht es deinem Dad?«, fragte Amussen, der die Flasche gefunden hatte.
»Ihm geht’s gut. Schenkst du mir auch einen ein?«
»Ich wusste nicht, dass du trinkst.«
»Mit etwas Wasser«, sagte sie.
»Einfaches Wasser?«
»Ja.«
Er schenkte zwei Gläser ein.
»Hier.«
»Peter Connors ist auch hier. Du kennst ihn doch, oder?«
»Ich weiß nicht.«
»Er ist mein Freund.«
»Oh, gut.«
»Er folgt mir überallhin. Er will mich heiraten. Ich weiß nur nicht, wie er sich das Ganze vorstellt.«
»Ich denke, du bist alt genug.«
»Meine Eltern denken das auch. Wahrscheinlich werd ich irgendwann mal ’ nen Vierzigjährigen heiraten.«
»Vielleicht. Wird sicher nicht lange halten.«
»Nein. Aber er wäre mir für immer dankbar«, sagte sie.
Amussen sagte nichts dazu.
»Das ist ein schöner Pullover«, sagte er.
Der Pullover war etwas weit, aber dennoch.
»Danke«, sagte sie.
»Ist er aus Seide? Sieht aus wie die Sachen, die sie in dem kleinen Laden in Middleburg haben. Du weißt schon, der Laden von Peggy Court, wie heißt er noch?«
»Patio. Da hast du sicher ’ ne Menge gekauft.«
»Ich? Nein. Aber dein Pullover sieht aus wie von dort.«
»Ist er auch. War ein Geschenk.«
»Wirklich.«
»Mir gefällt Garfinkle’s besser«, sagte sie.
»Na ja, man kann sich nicht immer aussuchen, woher man ein Geschenk bekommt.«
»Ich normalerweise schon.«
»Dare, jetzt nimm dich bloß zusammen.«
Sie saßen und tranken. Amussen sah auf sein Glas, konnte aber ihren Blick auf sich spüren.
»Du weißt, dass meine Tochter Vivian älter ist als du«, bemerkte er.
»Ich weiß. Und mein Vater wird wahrscheinlich anrufen und sagen, dass ich nach Hause kommen soll.«
»Ich denke, das wirst du dann wohl müssen.«
»Ich wünschte, Peters Vater würde ihn anrufen.«
Amussen sah sie an, die Reithose, das ruhige Gesicht.
»Auf welches College gehst du
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