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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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Einen Moment war sie stolz auf ihren Mut. Er war immer noch in ihrem Mund. Sie bewegte sich nicht. Nach einer Weile setzte sie sich zurück.
    Eddins sagte nichts, er bewegte sich auch nicht. Sie hatte Angst, ihn anzusehen, etwas Falsches getan zu haben. Aber sie hatte es gewollt. Es war wegen ihres Ka , ihrer Lebenskraft. Folge deinen Begierden, hieß es, solange du lebst. Es gibt kein Zurück. Sie stand auf und ging zum Spülbecken, um sich das Gesicht zu waschen. Unter dem Hahn waren braune Rostflecken. Dann ging sie ins Wohnzimmer und setzte sich auf einen Sessel. Durch das Fenster sah sie im hellen Sonnenschein einen weißen Schmetterling, das Auf und Ab seiner reinen, ekstatischen Bewegungen. Nach einer kleinen Weile kam Eddins herein und setzte sich aufs Sofa.
    »Sitz nicht dort drüben«, sagte er ruhig.
    »Na gut. Dann hat es dir nichts ausgemacht?«
    »Mir etwas ausgemacht?«
    »In Ägypten wäre ich jetzt deine Sklavin.«
    »Jesus, Dena.«
    Er wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was.
    »Bei den Schwimmtreffen …«, sagte sie.
    »Welchen Schwimmtreffen?«
    »Den Schwimmtreffen in der Schule. Da hatten die Jungen alle diese kleinen, satinartigen Hosen an, und bei manchen konnte man sehen, dass sie … einen Steifen hatten. Sie konnten nichts dagegen tun. Daran musste ich denken.«
    »An die kleinen Jungen?«
    »Nicht nur an die.«
    »Ich wünschte, ich wäre sie alle zusammen, und du würdest mich ansehen.«
    Sie wusste, er verstand alles. Sie fühlte sich wie eine Göttin.
    »Nein, es hat mir nichts ausgemacht«, sagte er.
    »Ich hab das noch nie getan.«
    »Das glaube ich dir.«
    Er merkte, dass sie es falsch verstand.
    »Ich meine, es war perfekt, aber ich glaube dir.«
    »Ich hab gespürt, dass du der Richtige bist. War es wirklich gut?«
    Als Antwort küsste er sie sachte und voll auf die Lippen.
    Sie hatte Angst, etwas Dummes zu sagen. Sie sah auf ihre Hände, dann zu ihm, dann wieder auf ihre Hände. Sie war verlegen, aber nicht allzu sehr.
    »Ich sollte dich wahrscheinlich heiraten«, sagte sie und fügte an: »Ich bin allerdings verheiratet.«
    Über einen Monat, bis ihr Sohn wieder zurückkam – er sollte bei seinen Großeltern in Texas bleiben, bis sie und Vernon die Dinge geklärt hatten –, lebten sie und Eddins auf dem Olymp. Sie lagen Kopf an Fuß, für ihn war es, als würde er bei einer wunderschönen Marmorsäule liegen, eine Säule, die Begierden stillen konnte. Ihr Hügel duftete, von einer Art unsichtbaren Sonne gewärmt. Die kraftvollen assyrischen Teile von ihm streiften ihre Lippen, erstickten ihr Stöhnen. Danach schliefen sie wie Diebe. Die Hausseite lag im gelben Licht, die kalte Herbstluft zog unter den Fenstern hindurch.
    Sie kamen spät nach Hause, sie hatte sich eingehakt, auf langen, unsicheren Beinen, den Kopf gesenkt, als hätte sie getrunken. Im Bett lag er erschöpft wie ein Soldat am Ende seines Urlaubs, und sie ritt ihn, als wäre er ein Pferd, ihr Haar fiel ihr vor die Augen. Er liebte alles an ihr, ihren kleinen Nabel, ihr offenes, dunkles Haar, ihre Füße am Morgen, die langen, nackten Zehen. Ihre Pobacken waren glorreich, als wäre man in einer Bäckerei, und wenn sie aufschrie, war es wie eine sterbende Frau, die zu einem Altar gekrochen kam.
    »Wenn du mich nimmst«, sagte sie, »habe ich das Gefühl, zu weit zu gehen, fast über mich hinaus, als könnte ich nicht zurück. Ich hab das Gefühl, mein Kopf zerspringt, als würde ich verrückt.«
    Mit Leon im Haus konnten sie sich nicht so benehmen, aber allein mit ihr einkaufen zu gehen, zu zweit, Dena in Jacke und Jeans, wie sie sich über die Theke lehnt, um sich etwas anzusehen, und der abgenutzte, dünne blaue Stoff spannt sich über ihr Gesäß.
    Mit fünf trug Leon bereits eine Brille. Er gehörte nicht zu den Jungen, die gute Sportler sein würden, aber er hatte Charakter. Seine Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber dem fremden Mann im Leben und Schlafzimmer seiner Mutter zeigten sich nur kurz, indem er verschlossen war. Er spürte instinktiv, wer Eddins war und was seine Gegenwart bedeutete, aber er mochte ihn und brauchte einen Vater. Er brauchte auch einen Freund.
    »Guck«, sagte er, während er ihm sein Zimmer zeigte. »Hier bewahre ich meine Bücher auf. Das hier ist mein Lieblingsbuch, das hier ist über Football. Und in dem hier kann man alles nachlesen, über Sterne und was das tiefste Loch im Meer ist und über Gewitter und wie man sie verhindern kann. Das ist mein bestes Buch. Und das!«,

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