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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Salter
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Schuhen, allein und ohne Mann? Sie war unschuldig, das konnte Eddins sehen, im wahren Sinne des Wortes. Und auch komisch. Sie hatte ein Pflaster auf der Stirn kleben, als er sie das erste Mal abholen kam, sie hatte es sich aufgeklebt, um Falten zu verhindern, und vergessen es abzunehmen.
    »Was ist das?«, sagte er.
    Sie griff nach oben.
    »Oh, mein Gott«, sagte sie irritiert und leicht verwirrt.
    Sie erzählte ihm von sich, Geschichten aus ihrem Leben. Sie singe gerne, sagte sie, sie sei früher im Chor gewesen. In der Schule durfte man keinen Lippenstift tragen, im Chor aber schon, und sogar etwas Make-up. Was ist nur mit euren Gesichtern?, fragten die Dorfbewohner.
    Sie war auf der Vassar.
    »Du warst auf der Vassar? Wo ist das?«
    »In Poughkeepsie.«
    »Warum gerade Vassar?«
    »Weil ich recht schlau sein soll«, sagte sie. »Ich soll nicht nur, ich bin es auch.«
    Sie liebe Vassar, sagte sie, dort sei es wie in einem englischen Park, die alten Backsteinbauten, die hohen Bäume. Es war, als gehörte ihnen der Ort, sie gingen im Pyjama zum Unterricht. Zum Abendessen mussten sie allerdings weiße Handschuhe und Perlen tragen. Es gab ein Mädchen, Beth Ann Rigsby. Sie weigerte sich. Niemand konnte sie zu irgendetwas bringen. Sie ließen sie nicht am Abendessen teilnehmen. Du musst deine weißen Handschuhe und Perlen tragen, sagten sie zu ihr. Also trug sie ihre Perlen und weißen Handschuhe, sonst aber nichts. Eddins war hingerissen. Er betrachtete sie.
    »Siehst du auf meine Zähne?«, sagte sie.
    »Deine Zähne? Nein.«
    »Sind sie zu groß? Der Zahnarzt sagt, ich hätte einen fantastischen Biss.«
    »Du hast wunderbare Zähne. Wie warst du so als Kind?«, sagte er.
    »Oh, ich war ein braves Kind. Ich hatte immer gute Noten. Und ich war begeistert von Ägypten. Ich hab jedem erzählt, ich sei Ägypterin, meine Mutter war außer sich. Ich hatte ein Schild an der Tür: Sie betreten Ägypten, stand darauf. Willst du ein paar ägyptische Wörter hören?«
    »Sicher.«
    »Alabaster«, sagte sie. »Oase.«
    »Kairo«, sagte er.
    »Wahrscheinlich. Sie hatten die erste große Königin der Geschichte und die berühmteste, Nofretete. Wenn man starb, wurde das Herz mit einer Feder aufgewogen, die für die Wahrheit stand, und wer dem Urteil standhielt, ging in die Ewigkeit ein.«
    Sie liebte es, dass er ihr zuhörte.
    »Der Pharao war ein Gott«, sagte sie.
    »Natürlich.«
    »Wenn er starb …«
    »Wenn Gott starb?«
    »Es war nur seine Art sich zu verabschieden und zu den anderen Göttern zu stoßen«, sagte sie, als würde sie ihn trösten.
    Im September fuhren sie für einen Tag nach Piermont und aßen in dem kleinen, verblühten Garten zu Mittag. Die Sonne war noch warm. Sie trug blaue Shorts und hohe Schuhe. Ihre Beine waren nackt, und die Haut an der Ferse war von den Schuhen aufgerieben. Sie redeten und lachten. Sie wollte, dass er sie mochte. Später gingen sie in die Küche und tranken etwas Wein. Eddins saß seitlich zum Tisch. Ohne ein Wort kniete sie sich vor ihn hin und begann, etwas ungeschickt, da sie kurzsichtig war, seine Hose zu öffnen. Der Reißverschluss schmolz Zahn um Zahn. Sie war ein wenig nervös, aber es war fast, wie sie es sich vorgestellt hatte. Apis, der Stiergott. Glatt und allein durch das Anschwellen fiel sein Schwanz ihr fast in den Mund, und mit mehr Selbstbewusstsein fing sie an. Es war der Akt einer Gläubigen. Sie hatte es noch nie getan, nicht mit ihrem Mann und auch mit sonst niemandem. So war es, wenn man Dinge tat, die man noch nie getan, die man sich nur vorgestellt hatte. Weiches Licht fiel ins Zimmer, es war spät am Tag. Er ist irgendwie einfach rausgesprungen , schrieb sie später in ihr Tagebuch. Er muss daran gedacht haben. Er war sofort bereit. Es war ganz natürlich. Einmal hatte sie ihrem Sohn Leon, als er vielleicht anderthalb Jahre alt war, einen weißen Bindfaden um die Genitalien gebunden, ohne sich dabei etwas zu denken, nur um sie hervorzuheben, so perfekt sahen sie aus. Sie hatte es gestehen, es jemandem erzählen wollen, und das hier war wie ein Geständnis, als würde sie es Neil gestehen. Es war wie ein Stiefel, der über die Wade glitt, und sie machte immer weiter und wurde immer sicherer, ihr Mund machte nur ein leises Geräusch. Sie gab sich alle Mühe, sie wollte nicht, dass es aufhörte, aber dann war es zu spät. Sie erkannte es an seiner Bewegung, und dann das Stöhnen und das große Unerwartete, es schien ihr eine ganze Menge – sie erstickte fast.

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