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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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Hauptkommissarin Schweikert, die während der letzten Stunde immer wieder dem Sekundenschlaf zum Opfer gefallen war, richtete sich plötzlich auf. Ihre grauen Augen, kalt und emotionslos wie die eines großen weißen Hais, fixierten mich. »Antje Nebel vom Münster Marketing? «

    »Kennen Sie sie etwa?«

    »Flüchtig. Wir spielen in derselben Volleyballmannschaft.« Frau Schweikert starrte mich noch eine Weile an, dann stand sie urplötzlich auf. »Wir werden das überprüfen, verlassen Sie sich drauf«, brummte sie, schlürfte den letzten Schluck aus ihrer Tasse und machte sich auf, um frischen Kaffee zu holen.

     
    Es erwies sich dieses Mal, dass die privaten Verbindungen der Hauptkommissarin sich für mich nicht nur peinlich auswirken mussten: Sie ließ mich gehen, nicht ohne mich vorher schwören zu lassen, meine Schnüfflernase ab sofort aus dem Fall Fricke herauszuhalten. Ich versprach es ihr gern und machte mich, sowie ich nach Hause zurückgekehrt war, daran, ein anderes Versprechen einzulösen. Es bestand darin, einen Briefumschlag an einen Theologieprofessor weiterzuleiten, da inzwischen ja wohl die Umstände eingetreten sein durften, die der Kerl im Stuhlmacher angedeutet hatte. Natürlich würde ich vorher aus beruflichem Interesse selbst einen Blick hineinwerfen.

    Haberland hatte Zeit, morgen um elf Uhr. Wo aber steckte der Umschlag? Ich konnte mich genau daran erinnern, dass er vor dem Umzug auf meinem Schreibtisch gelegen hatte, direkt neben dem Stapel unbezahlter Rechnungen. Danach verlor sich jede Spur, so wie die des Mannes, der ihn mir anvertraut hatte. Ich verbrachte den Rest des Dienstags damit, das gesamte Büro auf den Kopf zu stellen und anschließend meine Wohnung. Am Mittwochmorgen wiederholte ich die ganze Prozedur, bis es zehn vor elf war. Dann musste ich los.

     
    Theologen waren für mich ältliche Herren mit Goldrandbrille und Mundgeruch, die in einem Studierzimmer voller verstaubter Bücherregale hausten, mit einem Teller Kekse auf dem Tisch, die noch vom letzten Weihnachtsfest stammten. Was Siegbert Haberland anging, musste ich diese Vorstellung korrigieren.

    Es war ein sonniger Vormittag, die Temperaturen hatten die Zwanzig-Grad-Marke überschritten und lockten Touristenbusse in die Stadt. Drüben an der Rückseite des Bahnhofs entlud einer von ihnen Japaner, die, kaum dass sie ausgestiegen waren, mit ihren Kameras Jagd auf die weltberühmten Radfahrer der Stadt machten.

    Der Professor wohnte nicht weit entfernt in der Papenburger Straße. Kein rauchfreies Haus, wie eine beachtliche Dunstwolke im Treppenhaus eindrucksvoll belegte. Eine Frau in Jeans und einem schwarzen BH öffnete die Wohnungstür, deutete mit einer Kopfbewegung zum Ende des Flurs und verzog sich in die Küche zu taz und Kaffeetasse. Der Flur war unbeleuchtet, zudem verdichtete sich der Zigarettendunst, sodass ich um ein Haar mit einer anderen Frau zusammengestoßen wäre, die mir im Morgenmantel aus dem Zwielicht entgegenkam. Ich tastete mich weiter und klopfte an eine Tür mit einem vergilbten Aufkleber: Amis raus aus USA.

    Das Arbeitszimmer war von beachtlicher Größe. Die Wände verschwanden komplett hinter Regalen, die vollgestopft waren mit Büchern und Tinnef aus Dritte-Welt-Läden, geschnitzten Holzmasken, Götterfiguren aus Ton, kleinen Handtrommeln aus Büffelleder, bunt bemalten Vasen und figurenförmigen Krügen. Eine breite Wand aus Schilfpflanzen, die in Blumentöpfen wuchsen, trennte das Bett vom Rest des Zimmers. Auf dem Schreibtisch neben der Balkontür, die auf einen Dachgarten hinausführte, stand ein Computer, umzingelt von benutzten Teetassen. Ein vertrauter Anblick – Kittels Schreibtisch hatte auch so ausgesehen. An der Wand über einem Diwan hing ein Poster, das Ernesto Cardenal zeigte, einen in die Jahre gekommenen Revoluzzer, langhaarig, mit Stirnband und weißem Bart. Darunter stand venceremos .

    Der Bewohner des Zimmers, der sich auf dem Diwan lümmelte und in einer Zeitschrift blätterte, trug weder Stirnband noch sein Haar lang. Er war kaum jünger als der Mann auf dem Bild, aber deutlich fülliger, und mit seinem legeren schwarzen Jackett schien er eher jener Klasse anzugehören, der sein Idol den Kampf angesagt hatte.

    Sowie er mich bemerkte, sprang er auf und kam auf mich zu. »Henk Voss, nicht wahr?« Er machte ein enttäuschtes Gesicht. »Wo haben Sie denn Ihren Trenchcoat gelassen? Ich dachte immer, Ihr Privatschnüffler tragt diese Dinger als Berufskleidung.«

    »Und
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