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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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billige Ausrede, und ich verklagte ihn wegen Diskriminierung. Ohne Erfolg.«

    »Kannten Sie auch Herrn Fricke?«, erkundigte ich mich.

    »Fricke hatte die Zeichen der Zeit erkannt«, nickte Zucker. »Und deshalb empfahl es sich nicht gerade, bei ihm zu essen.«

    »Es empfahl sich nicht?«

    »Ein altes Gesetz in der Ernährungsbranche: Je weniger jemand die Zeichen der Zeit erkennt, desto eher lohnt es sich, bei ihm einen Tisch zu bestellen. Nehmen Sie zum Beispiel dieses Lokal. Gutes Essen, Topqualität. Den betuchten Herrschaften mag es schmecken, aber es ist keine Lösung.«

    »Keine Lösung wofür?«

    Der Mann mit den Riesenohren beugte sich vor und ich zuckte unwillkürlich zurück. »Denken Sie doch an die Weltbevölkerung. Das Problem des Wassermangels lösen Sie ja auch nicht, indem Sie jedermann empfehlen, einen Swimmingpool anzulegen. Im Gegenteil. Fricke hatte das begriffen.«

    »Verstehe«, log ich. »Fricke verzichtete auf den Pool. Weil er die Zeichen der Zeit erkannt hatte.«

    Zucker schnaubte überheblich. »Die Ressourcen auf diesem Planeten sind begrenzt, Herr Voss. Wenn wir weiter so hochwertig und gesund essen, dann, so prophezeie ich Ihnen, hat die Küche schon bald geschlossen. Und das lange bevor die Polkappen abgeschmolzen sind.«

    »Was wäre denn Ihr Vorschlag?«

    »Müll.«

    »Müll?«

    Die Fledermaus nickte. »Der Mensch kann nur überleben, wenn er eine ganz neue Form der Ernährung lernt.«

    »Er soll Müll essen?«

    »Sehen Sie, zweifellos unterscheidet sich der Mensch nicht allein dadurch vom Tier, dass er Abfälle produziert. Er unterscheidet sich aber vom Menschen früherer Jahrhunderte dadurch, dass der von ihm produzierte Abfall planetarische Ausmaße annimmt. Sein Dilemma ist, nicht existieren zu können, ohne seine Umwelt in einen Abfallhaufen zu verwandeln. Der Tag, da er sich nicht mehr schönreden kann, dass er mitten auf einer Müllhalde lebt, wird unvermeidlich kommen.« Zucker bleckte die Zähne und sah aus wie ein grinsendes Pferd mit Segelohren. »Dann wird ihm nur eines bleiben: den Abfall als Chance zu begreifen. Denn Müll ist die einzige Ressource auf diesem Planeten, die stetig wächst, anstatt zu versiegen.«

    Aus heiterem Himmel senkte sich ein Teller auf unseren Tisch herab und fand seinen Landeplatz direkt vor meiner Nase.

    »Einmal Hasengulasch unter Preiselbeerschaum «, rezitierte die Stimme des Kellners. »Salat mit einem Dressing Ihrer Wahl wollen Sie sich bitte drüben am Büfett selbst zusammenstellen.«

    »Einen Moment«, erhob ich Einspruch. »Ich habe keinen Schaum bestellt.«

    »Bedaure, den Hasen gibt es nur mit Schaum.«

    »Auch keinen Hasen. Ich habe gar nichts bestellt.« Ich bemühte mich um einen lässigen Tonfall. »Wenn Sie so was jeden Tag haben, dann können Sie das Zeug irgendwann nicht mehr sehen − heh! Warten Sie …«

    Der Kellner war schon auf und davon.

    »Ich glaube, das war wohl für mich bestimmt!«, meldete sich eine gut aussehende Blondine, die uns von einem anderen Tisch aus zuwinkte. »Wenn Sie so nett wären …«

    »Aber gern.« Ich erhob mich, schnappte den Teller und balancierte ihn elegant auf den Fingerspitzen wie ein richtiger Kellner. »Einmal den Hasenschaum. Salat gibt’s drüben in der Ecke.«

    Die Blondine schenkte mir ein bezauberndes Lächeln und ich nutzte die Gelegenheit zu einem Blick in ihren Ausschnitt. Während sie nach Messer und Gabel griff, um sich über ihr Essen herzumachen, kehrte ich zu meinem Gesprächspartner zurück, genauer gesagt: Ich machte mich auf den Weg.

    Nach wenigen Sekunden brachte mich ein spitzer Schrei zum Stehen.

    »Igitt! Was steckt denn da in dem Schaum? Da ist ja ein Finger! Scheiße − ich glaube, mir wird schlecht!«

    Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder sie spielte Theater, dann stellte sich allerdings die Frage, was sie damit bezweckte. Oder aber es handelte sich um einen dieser Zufälle, die in diesem Universum allerhöchstens einmal in zehn hoch zweiundzwanzig Milliarden Lichtjahren vorkommen. Ich brauchte nur eine Sekunde, um zu entscheiden, dass es keine Rolle spielte, welche der Möglichkeiten zutraf. »Bedaure«, sagte ich, ohne mich umzudrehen, und setzte meinen Weg fort. »Aber den Hasen gibt es nur mit Finger.«

9

    Hauptkommissarin Sanne Schweikert war eine Verfechterin jenes juristischen Prinzips, demzufolge jeder so lange als schuldig gilt, bis seine Unschuld erwiesen ist. Infolgedessen interessierte sie sich nicht für die näheren
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