Alles Wurst
einer aus der Runde.
»Ich bin auf der Suche nach Herrn Defries und dachte, dass Sie mir mit dem einen oder anderen wertvollen Tipp weiterhelfen könnten.«
Ich erntete skeptische Blicke. Skeptisch war vielleicht nicht der passende Ausdruck. Die Art, wie diese Leute mich musterten, konnte man auch als feindselig bezeichnen.
»Wir alle sind auf der Suche nach ihm«, stellte eine Frau klar.
»Wertvolle Tipps wollen Sie?« Ein Typ mit Glatze und einem Ziegenbärtchen griff nach dem Buch vor sich auf dem Tisch. »Hier drin stehen diese Tipps. Jan van Leiden findet nur der, der sein Herz von der Sünde reinigt. Von der Sünde des Fleisches. Nur der, der aufsteht gegen die, die ihn peinigen. Die ihm vorschreiben wollen, was er zu tun und zu lassen hat. Nur der, der −«
»Schon gut«, lenkte ich freundlich ein. »Vielleicht war meine Frage etwas unklar formuliert. Könnten Sie mir eventuell sagen, wo Herr Defries sich aufhält?«
»Er hält sich nicht auf.« Wieder meldete sich die Frau mit ihrer etwas zu schrillen Stimme. »Jan van Leiden ist der, der kommen wird. Der für uns gekämpft hat und gefoltert wurde, hingerichtet und in einem Käfig zur Schau gestellt. Aber er wird wiederkommen am Tag des Gerichts.«
»Das mag man sehen, wie man will«, sagte ich ungeduldig. »Aber ich würde ihn gern sprechen und, wenn es geht, noch vor dem Tag des Gerichts. Ich bin Privatdetektiv, und meine Auftraggeberin macht sich Sorgen, dass er seinen großen Auftritt verpassen könnte.«
»Ihre Auftraggeberin?«
»Welche Auftraggeberin?«
»Die Frau, die mich dafür bezahlt, dass ich Herrn Defries finde.«
Die Stimmung wurde noch skeptischer.
»Er macht es für Geld«, zischte eine kleine Frau mit kurzem, grellrot gefärbtem Haar.
»Weil es mein Job ist«, erklärte ich gereizt.
»Er ist einer von denen«, krächzte eine Stimme. »Sie haben ihn geschickt.«
»Einer von denen? Wovon reden Sie überhaupt?«
»Katholiken!«, brüllte einer. »Das sind die Schlimmsten von allen. Hexenverfolger! Inquisitoren!«
»Mit denen sollte man das tun, was sie mit uns getan haben.«
»Was meinst du denn damit?«, wollte die Grellrote wissen.
»Na, in Käfige stecken und so weiter, was sonst?«
So hoch die Stimmung auch kochte, aller Unmut fiel in sich zusammen, als es klopfte. Eine Studentin trat ein. Sie hielt eine dampfende Tasse in der Hand. »Hatte hier jemand den Nicaragua-Tee bestellt?«
»Das war ich«, meldete sich die Schrille und zeigte auf.
Ich nutzte die Gelegenheit, um mich davonzumachen.
Draußen nahm ich einen tiefen Luftzug und dankte Gott für die große Gnade, mich nicht zu einem von jenen dort drinnen gemacht zu haben. Als ich mich kopfschüttelnd in Richtung Ausgang aufmachte, berührte mich jemand an der Schulter. »Warten Sie doch, Herr Voss!«
Es war Laura, die Engelsgleiche.
»Jetzt sagen Sie bloß nicht, Sie wollen auch zu diesem Psychopathentreffen«, argwöhnte ich.
Sie machte ein schockiertes Gesicht. »Wie kommen Sie denn darauf? Wissen Sie, was Jens über die gesagt hat? Wenn das die Gerechten sein sollen, die ins Paradies eingehen, dann werden mich keine zehn Pferde dort hinbringen.« Sie grinste. »Und zehn sind ja wohl eine ganze Menge.«
»Ausgerechnet er muss so etwas sagen. Woher kennen Sie eigentlich diesen Defries?«
Wir verzogen uns ins Dritte-Welt-Café der KSG und tranken einen Nicaragua-Tee, der wie aufgewärmtes Pinkus- Bier schmeckte. Laura schwärmte von Defries und schilderte in allen Einzelheiten, wie sie ihn im Laufe eines Schulpraktikums in einer Kleintierpraxis kennengelernt habe, wo er einen Golden Retriever , den die Ärztin praktisch schon aufgegeben hatte, auf spektakuläre Weise durch Handauflegen geheilt habe.
»Jens ist so begabt!«, schwärmte sie. »Er ist ein richtiger Künstler, der kann zeichnen – einfach genial. Außerdem ist er eine Seele von Mensch. Das bedeutet aber nicht, dass er nicht auch zum Tier werden kann.«
»Zum Tier werden?« Ich grinste. »Ist er etwa ein Werwolf oder so etwas?«
Laura blieb ernst. »Damit meine ich, dass er wütend werden kann, so richtig wütend, wenn jemand Tiere quält oder sogar aufisst. Mit diesen Leuten, hat er einmal gesagt, sollte man genau das Gleiche tun, was sie diesen armen Wesen antun.«
»Haben Sie ihn in der letzten Zeit gesehen?«
Laura nickte. »Erst neulich, als Schwarzenegger verschwand, war er da, um mir Mut zu machen.«
»Meinen Sie den Gouverneur?«
Sie
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