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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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ins Büro. Zu meiner Beruhigung stand der Stuhl unversehrt hinter meinem Schreibtisch. Von Kittel und Miss Armbruster gab es keine Spur, bis auf einen Zettel, der auf dem Monitor meines PCs klebte: Gotcha ist leider abgeschmiert. Wir sind zu Kims Ehemaligem, der hat angeblich einen Treiber, der den Kram zum Laufen bringt. Bleiben an dem Fall dran. K.

    Bei der Gelegenheit stöberte ich noch einmal nach dem Briefumschlag, den Defries mir anvertraut hatte, jedoch ohne Erfolg. Alles, was mir in die Hände fiel, war die Akte Fricke, von Kittel aufpoliert, um den Fall bei seinem Seminar in Emsdetten zu präsentieren. Meinetwegen, sollten er und seine Kim doch damit glücklich werden. Ich grinste. Fricke − ein Opfer der internationalen Fleischmafia! Diese haltlose Behauptung stichhaltig zu untermauern würde noch schwieriger sein als dem Irak den Besitz von Massenvernichtungswaffen nachzuweisen.

    Was faszinierte Kittel bloß am ›American way‹ der Verbrechensaufklärung? Waren es die intelligenten Computerprogramme, die den Großteil der Ermittlungen übernahmen, sodass der Ermittler selbst Zeit hatte, sich mit wichtigeren Dingen zu befassen, zum Beispiel einen Mordverdächtigen zu erschießen oder aussageunwilllige Zeugen durch präventive Luftschläge zum Reden zu bringen?

    Hätte mein Ex sich stattdessen auf alte Schnüfflertugenden besonnen, dann wäre ihm vieles an diesem Fall in einem anderen Licht erschienen. Beispielsweise wäre ihm aufgefallen, dass man sowohl im Mordfall Fricke als auch beim mysteriösen Verschwinden Jens Defries’ immer wieder auf die gleichen Gesichter traf: Frau Nebel, die mich engagiert hatte, um einen verschwundenen Festspielstar zu suchen und sich als Bekannte von Sanne Schweikert entpuppt hatte, jener Hauptkommissarin, welche sich in den Kopf gesetzt hatte, mich in der Fingersache festzunageln. Laura Brück, die im Biotop bediente und den vermissten Defries anschmachtete. Zufälle? Als Schnüffler glaubte man nicht daran.

    Zudem machte mich eine Bemerkung Lauras stutzig: › Das Gericht für Frau Hambüchen hatten wir direkt aus dem Restaurant meines Vaters akquiriert.‹

    Das bedeutete nämlich, dass es gar keinen Fall Fricke gab, denn der Besitzer vom Biotop war nicht das Ziel des Fingeranschlages gewesen. Laura und Bölling, die beiden wackeren Robin-Food- Kämpfer, hatten das Geschnetzelte nämlich den Reichen im Grünen Winkel aus der Küche gemopst, um damit die Armen im Biotop zu speisen. Die makabere Aktion hatte Wallenstein, dem Mann mit der Günter-Grass-Pfeife, gegolten. Jenem Wortführer der neuen Ernährungselite, dessen Gesicht sich auf einem alten Foto befand, zusammen mit dem Professor Haberlands, des Erfinders des neuen Jan van Leiden. Die beiden schienen ein Herz und eine Seele zu sein und von jenem bösen Geheimnis, das später auf Wallensteins Gewissen lasten sollte, nichts zu ahnen.

    Mochte Kittel sich auf den passenden Treiber verlassen − ich hoffte darauf, dass das vierte Gesicht auf dem Foto ein wenig Licht in die alte Angelegenheit brachte.

15

    Die Chefetage der Allwetterfleisch AG Münster befand sich in einem langweiligen, viereckigen Gebäude, in dem viel Glas und Aluminium verbaut worden war. Durchsichtige Wände verschafften einem das zweifelhafte Vergnügen, das wenig beeindruckende Panorama der Loddenheide zu genießen, das zum großen Teil aus unbebauten Grundstücken bestand, auf denen Gras und Gestrüpp wucherten, und aus asphaltierten Parkplätzen für die Besucher anderer Firmengebäude. Das Foyer war mit flauschiger hellroter Auslegeware versehen. Von der Decke baumelte eine Lichtskulptur, die ein Schwein oder ein Rind darstellen sollte – irgendein Tier, das man zu Wurst verarbeiten konnte. Ein Wegweiser aus unaufdringlich rotem Aluminium zeigte nach rechts – Produktion, Labor, Kantine –, geradeaus zur Tiefgarage und nach links die Treppe hinauf: Vertrieb, Management .

    Die Empfangsdame am Tresen erkundigte sich höflich, was ich in dem Gebäude verloren habe.

    Ich gab mich als Journalist aus. »Um zwölf habe ich einen Termin mit Herrn Castrop«, log ich.

    »Presse?« Ihre Miene verfinsterte sich. Offenbar hatte man hier im Zuge des Wursthallenstreits gewisse Aversionen gegen Zeitungsleute entwickelt.

    »Aber zufällig ist mein Besuch heute rein privater Natur«, korrigierte ich. »Ein guter alter Freund von Herrn Castrop schickt mich, um ihm Grüße auszurichten. Sicher wird er sich darüber freuen.«

    Sie griff zum Telefon

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