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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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den Deal ein. Also führten wir ein vernünftiges kollegiales Gespräch. Ich orderte eine Pizza quattro stagioni extra large und er steuerte ein paar Flaschen Bier dazu bei. Draußen war es inzwischen dunkel geworden. Die erleuchteten Fenster der umliegenden Wohnungen tauchten Böllings Behausung in ein angenehmes Halbdunkel.

    »Ich war nie einer dieser Schnüffler, die anderen nachspionieren«, erzählte er. »Stundenlang im Auto sitzen und Fotos machen, das ist nichts für mich. Ich bin eher der Typ Maulwurf. Brisante Dinge aufdecken, üble Machenschaften ans Licht zerren. Das ist mein Ding. Eines Tages wird man dir dafür die Pulitz-Medaille überreichen, hat Laura gesagt.«

    »Die Pulitz-Medaille?«

    »Sie meint den Pulitzerpreis.«

    »So was brauchen Sie auch, wenn Sie von der Aufdeckerei leben wollen.«

    Bölling warf mir einen Blick zu, der in etwa sagte: Guten Morgen, alter Mann. »Umweltorganisationen, Parteien, Bürgerinitiativen«, betete er herunter, »die sind ganz heiß auf illegale Machenschaften. Morgen um elf bin ich beim Ortsverband Bündnis 90/Die Grünen in Burgsteinfurt eingeladen, aber nicht als Redner. Die brauchen dringend ein Wahlkampfthema, da kommen ihnen meine neuesten Enthüllungen über Allwetterfleisch gerade recht.«

    »Was wissen Sie denn über die?«

    Wieder dieser mitleidige Blick.

    »Na schön«, sagte ich. »Wie wär’s mit einer weiteren Pizza?«

    »Tut mir leid, Kollege, aber die Ware ist schon verkauft.«

    »Das heißt aber, Sie haben in Castrops Firma herumgeschnüffelt?«

    »Sagen wir, ich habe mich ein wenig umgesehen. Wirklich, das ist eine schicke Firma. Die haben sogar eine Tiefgarage mit Kühlaggregat.« Bölling zog eine Grimasse. »Bei dieser Gelegenheit hatte ich ja auch das zweifelhafte Vergnügen, die Bekanntschaft des großen Gurus zu machen.«

    »Götz Wallenstein«, nickte ich, »ist ein alter Bekannter von Castrop.«

    »Ich spreche nicht von Wallenstein, sondern von dem Weichei, das sich für den Heiland persönlich hält. Jens Defries. Ich erkannte ihn sofort. Laura hat überall Bilder von ihm aufgehängt, sogar auf dem Klo.«

    »Was hat Defries denn bei Allwetterfleisch zu suchen?«

    »Woher soll ich das wissen? Der Kerl war ziemlich durch den Wind. Sagte, er fühle sich nicht besonders. Also habe ich ihm in der Kantine was zu essen spendiert. Und da wurde mir klar: Der Kerl hat sie nicht mehr alle.«

    »Die Kantine kenne ich«, sagte ich. »Ihre Speisekarte ist gewöhnungsbedürftig.«

    Bölling nickte. »Er konnte sich aber nicht beklagen. Ich bestellte ihm das Tagesgericht, Hackbraten in Tomatensoße, sie nennen es Fleisch und Blut. Da ist nur der Name gewöhnungsbedürftig, das Zeug schmeckt eins a. Kein Grund, sich zu übergeben, es sei denn, man ist ein hoffnungsloses Weichei.«

    »Er hat sich übergeben?«

    »Ohne Vorwarnung, mitten auf den Tisch. Das ist also der Kerl, auf den Laura steht, habe ich mir gedacht. Du triffst ihn zum ersten Mal und schon kotzt er dich an.«

    »Wie haben Sie reagiert?«

    »Tja, ich hab gemacht, dass ich wegkam. Hatte schließlich keine Lust, das Zeug aufzuwischen.«

    »Haben Sie Laura von diesem Zusammentreffen erzählt?«

    »Wozu denn?« Das Nagetier presste die dünnen Lippen aufeinander. »Damit sie sich noch öfter mit ihm beschäftigt? Mir ist völlig schleierhaft, was sie an dem Weichei findet. Sogar im Schlaf ruft sie nach ihm.«

    »Sparen Sie sich Ihre Eifersucht«, riet ich. »Lauras Schwärmerei für ihn ist rein religiöser Natur.«

    Bölling rülpste. Er griff zum Öffner und machte eine neue Flasche auf, obwohl noch eine halb volle vor ihm stand. »Über zwei Monate sind wir jetzt zusammen, Laura und ich. Diskutieren, Pläne schmieden, Manifeste lesen − und das jeden Abend. Kein Fernsehen, kein Kino, kein Fußball. Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie satt ich das alles habe.«

    Vergeblich versuchte ich, Augenkontakt zu meinem Gegenüber aufzunehmen. Sein glasiger Blick schweifte hinaus in eine ungewisse Ferne, die die räumliche Enge des piefigen Innenhofs nicht bieten konnte. Bölling war betrunken, vermutlich war das der Grund dafür, dass er sich ausgerechnet seinen ärgsten Rivalen ausgesucht hatte, um ihm sein Herz auszuschütten.

    »Denken Sie, sie hätte mich in all der Zeit auch nur ein Mal rangelassen?«, fragte er. »Immer hat sie mich vertröstet. ›Heute passt es nicht so recht. Lass es uns später tun.‹ Ich kann es nicht mehr hören.«

    »Weil sie sich

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