Alles Wurst
Alkohol könnte ich frönen und mich an Fleischspeisen rund und fett fressen. Aber den Sünden des Fleisches habe ich nun einmal abgeschworen.«
»Das freut mich zu hören«, sagt der Kerl und ist offenbar beruhigt. Ja, er scheint gar nicht so übel zu sein. »Darf ich dich in die Kantine einladen?«, fragt er leutselig. »Du siehst so aus, als könntest du etwas zu essen vertragen.«
Jan der Rächer vergisst seine Vorsicht. Er lässt sich überreden und schon kurz darauf stellt der andere ein Tablett vor ihm auf den Tisch. »Einmal das Gericht des Tages«, sagt er. »Fleisch und Blut. Greif zu, du bist eingeladen.«
Fleisch und Blut? Vor Jan auf dem Teller liegen Klumpen toten Tieres, und sie schwimmen in ihrem Blut. »Nein, nimm das weg. Ich esse kein Fleisch«, sagt er.
Doch der Rattengesichtige bleibt hart, schiebt ihm den Teller hinüber und sagt mit hinterlistigem Grinsen: »Ich habe es extra für dich bestellt. Du willst mich doch nicht beleidigen, oder doch?«
Damit nicht genug: Als Jan schlecht wird, macht er sich über ihn lustig. »Das ist also der toughe Typ, den meine Freundin anhimmelt«, gluckst er. »Ein Weichei, das schon k. o. geht, wenn man ihm eine lausige Frikadelle vorsetzt. Das ist der Witz des Jahrhunderts!«
Aber Jan kämpft gegen den Ekel und den Abscheu und er besteht die Prüfung. Dann schiebt er dem üblen Kerl das Tablett hin und sagt: »Den Witz des Jahrhunderts kennst du noch gar nicht. Ich werde derjenige sein, der ihn dir erzählt. Und die Pointe wird dir nicht gefallen.«
Und genauso passiert es auch: Der Rattenmann kommt nach Hause, immer noch grinsend. Er fühlt sich großartig, weil er glaubt, dass er es Jan so richtig gegeben hat. Pfeift vor sich hin und geht ins Badezimmer, um sich zu rasieren. Offenbar gibt er sich der Illusion hin, sein Pickelgesicht würde ohne die Bartstoppeln besser aussehen.
Als er den Lichtschalter betätigt, bleibt es finster. Das Licht ist kaputt! Auch gut, denkt die Ratte, handwerkeln ist nicht meine Sache. Gedankenlos, wie der Kerl ist, kommt es ihm nicht in den Sinn, dass er nun derjenige ist, der in eine Falle getappt ist.
Doch da sieht er, dass die Badewanne mit Wasser gefüllt ist. Das gibt ihm schon zu denken. Ja, da soll mich doch …, denkt er.
Aber das ist das Letzte, was er denkt. Und über den Witz des Jahrhunderts hat er zum letzten Mal gelacht.
23
Leider wurde meine Vorfreude auf Laura von einem voluminösen Umschlag getrübt, den ich wenige Minuten später in meinem Briefkasten fand. Er wies keinen Absender auf.
Die Leute sagen, Bio ist gesund, stand mit übergroßer Druckschrift auf einem Blatt Papier, das ich herauszog. Aber das stimmt nicht. Jedenfalls nicht für Sie, Herr Voss. Hören Sie auf, sich in das Essen anderer Leute einzumischen. Jeder kann doch wohl selbst entscheiden, was er zu sich nimmt. Also halten Sie Ihre Schnüfflernase fern von biologischen Restaurants und deren Mitarbeiterinnen. Jemand, der es gut mit Ihnen meint.
Jemand, der es gut mit mir meinte. Solche Erpresserbriefe gab es eigentlich nur in Jugendbüchern. War alles nur ein billiger Scherz? Die Fotos, die aus dem Umschlag purzelten, bewiesen leider das Gegenteil. Ich erkannte meinen Wagen auf dem Albersloher Weg mit gut sichtbarem Kennzeichen. Ein Foto zeigte mich, wie ich mich über die tote Katze beugte. Ein anderes hatte den Moment festgehalten, als ich den Kadaver in die Plastiktüte packte. Mir war klar: Wenn Laura diese Fotos zu sehen bekam, würde sie mich nicht mal mehr mit dem Hintern ansehen.
Und noch etwas fiel mir bei dieser Gelegenheit ein: Ich hatte die dämliche Katze in Schadewaldts Kleinwagen vergessen, als er mich am Bremer Platz abgesetzt hatte. Damit war für mich aber auch klar, wer mir den Brief geschrieben hatte: Der Mann mit dem Reinlichkeitstick war nicht zufällig dort gewesen, sondern hatte den Kadaver wie eine Falle für mich ausgelegt.
Nur, welchen Grund hatte der Möchtegernbutler, mich zu erpressen? Weil ich meine Schuhe nicht abgetreten hatte, bevor ich in sein Gefährt eingestiegen war? Oder fürchtete er, dass ich seinem Freund und Gönner Wallenstein zu nahe kam? Möglich. Woher aber sollte er wissen, wie ich zu Laura Brück stand?
Noch einmal überflog ich das Geschreibsel. Biorestaurants und Schnüfflernase schienen mir vorgeschoben zu sein. Der Schreiber wollte nur eines, nämlich dass ich mich von Laura fernhielt, weil er sie für sich haben wollte. Gut möglich, dass die tote Katze
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