Alles Wurst
verrückt und als ob es Streit gäbe. Irgendetwas schien zu Bruch zu gehen.
»Frau Nebel?«, erkundigte ich mich, nachdem zwei Minuten vergangen waren. In der Wohnung war wieder Stille eingekehrt. »Sind Sie noch dran?«
Es knackte. Dann ertönte das Freizeichen. Die Verbindung war unterbrochen.
26
Mir auch recht, dachte ich. Wenn sie lieber auf eigene Faust weitermachte, dann konnte ich ihr nur viel Glück wünschen. Allerdings fand ich es schon ungewöhnlich, dass sie ein Telefongespräch abbrach, um Renovierungsmaßnahmen in ihrer Wohnung durchzuführen.
Ich musste zu ihr fahren und mir Gewissheit verschaffen.
Die Telefonauskunft schickte mich zu einem mehrstöckigen Wohnhaus in der Innenstadt. Frau Nebels Name stand auf der Klingel einer Wohnung im vierten Stock. Ich drückte mehrmals auf den Knopf, aber niemand öffnete. Dass jemand Möbel umgestellt hatte, wurde immer unwahrscheinlicher.
Hauptkommissarin Schweikert kam nur widerwillig. Sie wollte nicht einsehen, was Frau Nebel mit dem Frickemord zu tun hatte, und meinte, dass dies ein Fall für die Störungsstelle sei.
Etwa zwanzig Minuten später verschaffte sich die Kripo Zutritt ins Haus und ich folgte dem Möchtegern-Columbo in Frau Nebels Wohnung.
Es war ein komfortables Appartement, toprenoviert und ansprechend geschnitten. Unumstrittenes Highlight war eine weitläufige Dachterrasse mit Blick auf jene Stadt, die Frau Nebel an die Weltspitze bringen wollte, auf ihre diversen Kirchtürme, die, von sanftem gelbem Licht angestrahlt, zwischen den Dächern aufragten.
Zahlreiche Poster, Farbfotos und Werbeclaims an den Wänden gaben ein beredtes Zeugnis davon, dass die Aktion Reformationsfestspiele eine von vielen Imagekampagnen des Münster Marketing war: Natürlich hatte man den Standort schon lange als Fahrradstadt ins Spiel gebracht und nannte Münster ein westfälisches Amsterdam ohne Grachten. Man buhlte mit Osnabrück um den Titel Stadt des Westfälischen Friedens und kämpfte dafür, dass Aaseekugeln, Promenade oder das Autobahnkreuz Münster-Süd in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurden. Darüber hinaus sollte Grünkohl mit Pinkel unter die Top Ten der deutschen Gerichte aufrücken. Mit markigen Sprüchen erklärte man die Westfalenmetropole zur Stadt der Bildung und des Karnevals gleichermaßen, ja sogar zur Stadt der Hoffnung wider alle Hoffnung, wie ein Plakat in der Küche behauptete, das einen schwarzen Adler auf grünem Grund abbildete.
Im Wohnzimmer auf dem Boden ausgestreckt lag Antje Nebel. Ihr auberginefarbener Lippenstift und der grüne Anzug bildeten einen bizarren Kontrast zu der Blutlache, die sich von einer hässlichen Wunde am Hinterkopf ausbreitete. Ein schwarzer Schwan aus Ton, der mitten in diesem roten See saß, strahlte fast etwas Friedliches aus.
»Ein Bild voller Symbolkraft, nicht wahr?« Ich spürte so etwas wie einen kühlen Luftzug. Hauptkommissarin Schweikert war neben mich getreten. Sie deutete auf die Leiche. »Na, was sagt Ihnen jetzt Ihre berühmte Nase?«
»Ich glaube, dass dieser Mord mit dem Verschwinden von Jens Defries zusammenhängt. Frau Nebel war meine Klientin und hatte etwas herausgefunden, das sie mir am Telefon mitteilen wollte.«
»Was kann das denn wohl gewesen sein?«
»Sehen Sie Frau Nebels E-Mails durch. Im Junkordner befindet sich eine Nachricht, die ihr den entscheidenden Hinweis geliefert hat.«
Ich folgte der Hauptkommissarin ins Nebenzimmer an einen sichelförmigen Schreibtisch aus Glas.
Sie warf den Computer an. »Ist es nicht schade, Herr Voss, dass die guten alten Zeiten von Columbo und Co vorbei sind? Kein Rätseln am Tatort mehr. Man sieht im Computer nach und ruck, zuck findet man den Täter.«
Der Rechner meldete sich mit einem Ping.
»Was soll das denn jetzt?«, wunderte sich die Kommissarin.
Ich beugte mich zu ihr hinunter. Sämtliche Nachrichten wurden gelöscht, meldete der Computer.
»Ich habe überhaupt nichts gemacht«, beschwerte sich Sanne Schweikert. »Nur auf okay geklickt, das war alles.«
»Wissen Sie, was die Zeiten von Columbo und Co von den heutigen unterscheidet?«, stichelte ich. »Damals taten die Bullen wenigstens nur so, als würden sie sich dämlich anstellen.« Ich schaltete den Rechner aus. »Ich tippe nach wie vor auf Wallenstein.«
»Warum sollte er Frau Nebel ermorden?«
»Das kriege ich schon noch heraus, wenn Sie mich nicht behindern.«
»Sie haben mit Frau Nebel telefoniert, bevor sie ermordet
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