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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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tot, darunter jene Frau, mit der zusammen Sie das Projekt Defries alias Jan van Leiden der Neuere ausgebrütet haben. Übrigens wäre es durchaus möglich, dass auch Sie auf seiner Liste stehen.«

    »Jens ist wie ein Sohn für mich, das sagte ich Ihnen bereits. Und ich kann einfach nicht glauben, dass er jemanden umgebracht hat. Sie müssen sich irren.«

    Der Nachhall seiner Worte im Treppenhaus veranlasste den Professor, mich mit einer Geste hineinzubitten, aber als ich vortrat, blockierte er den Eingang gleich wieder. »Ich habe heute meine Doktoranden da, und deshalb ist meine Zeit ziemlich knapp …«

    »Noch eine Frage, Professor: Was erhofften Sie sich davon, dass Jens den Wiedertäufer spielt? Wollten Sie es Ihren piefigen Theologenkollegen an der Uni mal so richtig zeigen?«

    »Also ich sehe nicht recht«, meinte Haberland zerknirscht und sah auf seine Uhr, »ob es wirklich Sinn macht, Ihnen den Denkansatz der Experimentaltheologie darzulegen, noch dazu hier zwischen Tür und Angel.«

    »Und ich sehe nicht, ob Sie sich klarmachen, was Sie geleistet haben, Haberland. Ihre Verdienste um die Theologie dürften ja wohl in etwa denen entsprechen, die sich Doktor Frankenstein um die Medizin erworben hat. Man kann Ihnen gratulieren: Sie haben ein Monster geschaffen.«

     
    Noch während ich die Treppe hinunterlief, holte ich mein Handy hervor und wählte die Nummer der Kripo. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis ich Hauptkommissarin Schweikert in der Leitung hatte.

    »Sie hatten recht, so wie immer«, sagte ich. »Jan van Leiden ist unser Hauptverdächtiger. Ich bin davon überzeugt, dass er Heiner Fricke, Antje Nebel und den windigen Bölling umgebracht hat.«

    »Bevor Sie weitersprechen, Herr Voss, mache ich Sie fairerweise darauf aufmerksam, dass ich im Dienst bin und insofern für Aprilscherze nicht besonders viel Verständnis aufbringe.«

    »Leider ist es kein Scherz. Wie mir seine Therapeutin erklärte, leidet Defries an dem Wahn, ein Niemand zu sein und von niemandem beachtet zu werden. Deshalb hat er seinen Tod vorgetäuscht und will sich jetzt an allen rächen, die sein Selbstbild angekratzt haben. Antje Nebel ließ ihn abblitzen, als er bei ihr landen wollte, und Bölling bohrte genüsslich in seinem wunden Punkt.«

    »Seinem wunden Punkt?«

    »Offenbar kann er den Anblick von Fleisch nicht ertragen.«

    »Dann wäre da aber noch ein Dritter.«

    »Welche Rolle Fricke in seiner Vergangenheit spielt, werde ich noch herausfinden.«

    Frau Schweikerts Begeisterung für meine Theorie hielt sich in Grenzen. »Danke für den Hinweis, Herr Voss, aber ich habe jetzt herauszufinden, wo Herr Castrop steckt. Von ihm fehlt jede Spur.«

    »Vielleicht fand er keinen Gefallen daran, sich mit der Kripo über seine krummen Geschäfte zu unterhalten.«

    »Trotzdem ist da etwas seltsam. Der Mann schien nämlich durchaus kooperationsbereit.«

    »Wollen Sie damit andeuten, dass er sich nicht freiwillig verdrückt hat? Wer sollte ein Interesse an seinem Verschwinden haben?«

    »Jemand, der noch weniger Gefallen daran findet, sich mit der Kripo zu unterhalten, weil er in der Sache mit drinsteckt.«

    »Etwa der Hohepriester?«

    »Wer ist denn jetzt das schon wieder?«

     
    Ich steckte das Handy ein und trat hinaus auf die Papenburger Straße. Der Wind hatte aufgefrischt und vertrieb die Wolken vom Himmel. Ein Schwarm Möwen kehrte von einem Ausflug an den Kanal zurück. Die Möwen kreischten. Es klang nach Küste und nach Urlaub.

    Und dann kam mir plötzlich eine Idee, wo ich Castrop finden konnte.

36

    Der Dortmund-Ems-Kanal war eine Wasserstraße für Binnenschiffer, die östlich an der Stadt vorbeiführte und die Grenze zwischen dicht besiedeltem Gebiet und weitläufigem Stadtrand aus Kleingärten, Sportplätzen und Grünflächen markierte. An vorsommerlichen Samstagnachmittagen wie diesem war er ein schmaler, schlauchförmiger Teich, an dessen Rändern Frachtkähne aus Hamburg und den Niederlanden festgemacht hatten und in dem Enten und Schwäne planschten. Er war außerdem Schauplatz diverser Freizeitaktivitäten: Schlanke Paddelboote durchpflügten das dunkelgrüne Nass, und an beiden Ufern wälzte sich eine endlose Karawane von Joggern, Spaziergängern, Radfahrern und Nordic Walkern entlang.

    Nicht ohne Neid hatte Haberland erwähnt, dass der Boss von Allwetterfleisch eine Jacht besaß, die in Mauritz vor Anker lag. Der Sportboothafen war eine kleine dellenförmige Verbreiterung des Kanals nördlich der

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