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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Guesken
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Warendorfer Straße, auf der stadtzugewandten Seite. Drei Motorjachten lagen hier, die restlichen Plätze waren frei.

    Zwei der Boote waren nichts Besonderes, die üblichen schwimmenden Wohnzimmer, die sich ältere vermögende Herrschaften von ihrem Ersparten zulegen. Das dritte war eine protzige Motorjacht mit viel Weiß und Chrom und allem Schnickschnack. Meatball stand in verschnörkelter Schrift auf beiden Seiten des Bugs. Die Tagelage klickerte in der leichten Brise. Es war friedlich, und kein Mensch war in der Nähe. Kurzerhand schlich ich mich an die Jacht heran, zog mich über die silbern funkelnde Reling und kletterte an Bord.

    Offenbar war niemand zu Hause. Kittel und Kim Armbruster waren nirgends zu entdecken. Zwei Taue lagen aufgerollt auf dem frisch geschrubbten Deck, ein Rettungsboot hing in seiner Halterung. Eine rote Badehose und ein braunes Strandlaken flatterten an einer Wäscheleine.

    Ein knarrendes Geräusch hinter mir ließ mich herumfahren. Bevor meine Augen etwas wahrnehmen konnten, knallte etwas Hartes gegen meinen Kopf.

    Alles wurde schwarz.

     
    Ich kam nur langsam wieder zu mir. Zuerst hörte ich das Kreischen der Möwen. Und dann erschien mir der Fall, dem ich nachging, in einem völlig anderen Licht. Es schien ganz so, als wäre der Schlag auf den Kopf nötig gewesen, um mich dazu zu bringen, die Dinge nicht immer auf die gleiche Weise zu betrachten. Die Stimmen, die ich hörte, noch bevor ich die Augen aufschlug, trugen außerdem das ihre dazu bei.

    »Was sollen wir denn mit ihm machen, Chef?«, fragte ein Mann, der sich neben mir befinden musste.

    »Woher soll ich das wissen?« Castrops Stimme. »Warum musstest du ihm auch gleich eins mit dem Paddel überziehen.«

    »Sie haben gesagt, ich soll die Augen offen halten.«

    »Das habe ich. Von Erschlagen war allerdings nicht die Rede.«

    Ich blinzelte und sah ein Muskelpaket mit Goldkettchen auf der behaarten Brust, das breitbeinig über mir stand und ein Paddel in der Hand hielt.

    »Vielleicht sollten wir Steine an ihn binden und ihn ins Wasser werfen«, schlug der Kerl vor. »Dann ist es schwer, ihn zu finden, verstehen Sie? Weil er zu schwer ist, um wieder aufzutauchen.«

    »Wie dämlich bist du eigentlich?«, fuhr Castrop ihn an. Er stand etwas weiter weg, drüben am Steuer. »Das hier ist kein drittklassiger Mafiafilm.«

    »Klar, Chef, das weiß ich doch.«

    »Hör auf, mich Chef zu nennen.«

    Ich schlug die Augen auf und versuchte mich aufzusetzen. Meine Handgelenke waren an die Reling gefesselt.

    »Herr Voss.« Castrop hatte bemerkt, dass ich wieder bei Bewusstsein war. »Warum haben Sie Ihren Besuch nicht angekündigt?«

    »Geben Sie auf, Castrop«, forderte ich ihn auf. »Die Kripo hat Sie doch längst im Visier.«

    Sein Mann fürs Grobe versetzte mir einen Tritt.

    Castrop startete den Motor und legte den Rückwärtsgang ein. Wir verließen den Liegeplatz und tuckerten gemütlich südwestwärts, Richtung Warendorfer Straße. »Die werden nicht mehr finden als Sie«, sagte er achselzuckend. »Fleischware in Tiefkühltruhen, völlig einwandfrei und gemäß aller gesetzlichen Vorgaben gelagert. Halten Sie mich für einen Amateur? Die Welt ist nicht so simpel, wie der Enthüllungsjournalismus es gern hätte.«

    »Wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie Ihren Bruder mit Gammelware beliefert haben, der sie in seinem Restaurant als hochwertiges Bioprodukt an die Gäste verfüttert hat?«

    »Wir haben ein ganz anderes Problem, Herr Voss. Sie haben Ihre Schnüffelnase zu tief in fremde Angelegenheiten gesteckt. Und mein Mitarbeiter neigt nun einmal zu gewissen Überreaktionen.«

    »Was ist mit seinem Vorschlag mit den Steinen?«, spottete ich. »Der klingt doch gar nicht so übel.«

    »Glauben Sie denn allen Ernstes, es gehe hier um ein paar lausige Tonnen vergammeltes Fleisch? Haben Sie eine Ahnung, von wie vielen Millionen Euro wir hier sprechen?«

    »Wir sprechen außerdem von Mord, Herr Castrop.«

    »Mord?«

    »Heiner Fricke, Ihr eigener Bruder. Er hat Ihren Müll gekauft. Aber dann wollte er nicht mehr. Für ihn waren es vielleicht ein paar Tonnen zu viel, aber für Sie standen etliche Millionen Euro auf dem Spiel. Und Bölling, der Schnüffler: Er hat sich in Ihren Betrieb eingeschlichen und wurde zu neugierig. Warum haben Sie ihn nicht in Ihrem Kühlhaus eingesperrt, so wie Sie es mit mir taten?«

    Die Brücke Zum Guten Hirten kam in Sicht. Kinder, die mit ihren Eltern am Ufer picknickten, winkten uns zu.

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