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Alles Zirkus

Alles Zirkus

Titel: Alles Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Brandt
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Rauch aufgegangenen Zigaretten, streicht der Qualm als dünnes Band durch die Borsten auf seiner Lippe, um einen Streifen braun nachzufärben wie der Uferschlamm des Approuagues. Gleich kommt ein Kellner herangestürzt. Verärgert drückt Schach die Zigarette in der Suppentasse aus und presst seinen Mund zu einem scharfen Strich. Der ganze Mann ist gestählt und in sich gefestigt. Walter, den es nicht stört, wenn in seiner Gegenwart geraucht wird, sieht Schach übers Tischtuch hinweg an und murmelt irgendetwas, das wahrscheinlich nicht einmal für ihn selbst von klarer Bedeutung ist. Die Frage, die ihn beschäftigt und die er erst einmal für sich behalten muss, lautet einfach, warum die Irren der Welt es ausgerechnet auf ihn abgesehen haben. Wieso hat damals in der Bar des Weltraumbahnhofs dieser Mann neben ihm gesessen und ein Bier nach dem anderen herangeschafft?
    Doch so war es, und jetzt starrt der ihm von der anderen Seite des Tischs ins Gesicht, während man ihm zuhören muss: Dass er kein Geld mehr hat, ist schon nach kurzer Unterhaltung klar geworden. Aber wen außer ihn selbst geht das etwas an? Hält er es etwa für normal, bei einem Fremden zu klingeln und nach fünfzehn Jahren eine angebliche Einladung anzunehmen, nur weil er knapp bei Kasse ist? Niemand kann das so nennen, auch kein Soldat. Er hat irgendetwas in der Hand, das ihm, Walter, schaden kann. Was, das gilt es herauszufinden. Volle Aufmerksamkeit scheint angebracht, denn es ist nicht zu übersehen, dass augenblicklich konsequent alles schiefläuft, was schieflaufen kann. Jedoch gerade weil das so ist, darf man den Teufel nicht an die Wand malen, sagt ihm sein Instinkt. Walter beschließt, es einmal so wie Mirko zu versuchen und probeweise einen positiven Blick auf die Angelegenheit zu werfen: Möglicherweise – so beginnt das Experiment – ist alles ja gar nicht so schlimm. Vielleicht will sich der Mensch einfach nur einmal aussprechen. Er hat es schwer, das kann man sich doch vorstellen. Natürlich muss es schwierig sein, nach Jahren in der Fremdenlegion, langer Zeit inmitten eines bunt zusammengewürfelten Haufens Krimineller aller Provenienzen, wieder in einem Leben Fuß zu fassen. Diesem armen Teufel ist es offenbar nicht gelungen. Also lädt er ihn zu einer Pizza ein, man ist ja kein Unmensch. »Haben Sie sich einmal um Hilfe bemüht?«, erkundigt er sich zwischen zwei Bissen. »Wer den Versprechungen Glauben schenkt, mit denen einen die Legion bei der Stange hält, ist verraten und verkauft. Danach habe man ausgesorgt? Schön wär’s. Und sitzt du erst einmal in der Patsche, kennt dich plötzlich auch niemand mehr. Anders als Sie. Aber ich sage es, wie es ist – die Realität, Herr Tomm, lässt sich nicht beliebig kostümieren wie ein Harlekin.«
    Walter stockt der Atem. Was? Hat er gerade Harlekin gehört? Also tatsächlich noch so ein Spinner, der behauptet, Einblick in sein Inneres nehmen zu können, das ja nicht einmal ihm selbst zugänglich ist? Womöglich steckt er sogar unter einer Decke mit dem aufdringlichen Mathematiker, der ihm schon genug auf die Nerven geht. Man muss einfach ganz genau aufpassen, was der Kerl da tun wird, und dazu ist es am besten, sich die Achtsamkeit nicht anmerken zu lassen.
    »Die Wahrheit bleibt nackt«, sagt der Exlegionär nach einem Schluck und hat das Gefühl, den richtigen Ton zu treffen, um bei seinem Gegenüber eine Chance zu bekommen. »Das ist die Lage.«
    Walter gibt nicht zu erkennen, wie er sie sieht, und auch nicht, dass er jetzt tatsächlich hellwach ist. Der lederne Mann mit dem Stechblick vor ihm verzieht wieder den Mund unter dem gestreiften Bart zum Strich, bevor er kräftig kaut und vor allem trinkt. Vielleicht verplappert er sich ja, wenn er mit ausreichend Montepulciano versorgt wird. Die Zeit dafür, ist Walter gleich klar gewesen, muss er sich nehmen. Er hat Trixi einen Zettel hingelegt, dass er abends geschäftlich länger unterwegs sein wird.
    »Herr Schach, wie sind Sie denn eigentlich dazu gekommen, in die Fremdenlegion einzutreten?«, erkundigt er sich scheinheilig, und der Angesprochene sieht erfreut auf, weil er den Eindruck bekommt, dass es langsam ernst wird und die Voraussetzungen für eine Anstellung ins Visier geraten.
    »Im Herbst ’ 89 habe ich genau gespürt, dass etwas in der Luft lag und der Ostblock zu bröckeln begann.«
    »Sie stammen aus der DDR ?« Tomm bestellt mehr Wein.
    Schach nickt. »Das ist Fakt. Ich bin von Haus aus – wird Sie

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