Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
Frage musste so gelöst werden, dass auch Ustinow die Lösung verstand und akzeptierte. »Ich möchte nicht, dass Dmitrij beleidigt ist, er ist nicht nur meine Stütze, sondern auch mein Freund«, sagte Andropow.
Der ZK -Sekretär für Fragen der Rüstungsindustrie musste aus den leitenden Kadern ausgewählt werden. Andropow nahm an, Ustinow habe nichts gegen Romanow einzuwenden. So war es auch.
Es gab noch weitere Änderungen im Politbüro. 1983 kam Worotnikow aus Krasnodar nach Moskau und löste Solomenzew auf dem Posten des Vorsitzenden des Ministerrats der Russischen Föderation ab. Im Juni wurde er auf der Plenartagung als Kandidat ins Politbüro gewählt, im Dezember wurde er Mitglied des Politbüros. Solomenzew stieg nach seiner Ernennung zum Vorsitzenden des Komitees für Parteikontrolle beim ZK ebenfalls vom Kandidaten zum Mitglied des Politbüros auf.
All diese Umbesetzungen an der Spitze der Macht wurden unterschiedlich aufgenommen. Die einen freuten sich, weil sie in den Ernennungen und Umbesetzungen eine Gewähr für bevorstehende Veränderungen in unserem Land sahen. Die anderen waren niedergedrückt und verstimmt, weil sie ihre Karriere gefährdet sahen.
Tschernenko war schlechter Stimmung und verbarg das nicht. Formal hatte er den Posten des »Zweiten Sekretärs« inne, aber faktisch wurden viele ausschlaggebende Fragen ohne ihn entschieden. Tichonow, Schtscherbizkij und Dolgich waren nervös.
Dolgich war der hervorstechendste Vertreter unseres »Direktorencorps«: ein seriöser, arbeitsamer und kompetenter Spezialist. Er machte seine Sache mit großem Einsatz. Seit 1972 betreute er als ZK -Sekretär die Schwerindustrie und stellte sein Gebiet gern als wichtigstes dar. Nach dem Motto: Ihr anderen macht natürlich auch irgendetwas, aber ohne Schwerindustrie geht nichts. Er stritt sich mit allen, die andere Bereiche betreuten, verteidigte hartnäckig seine Position, und das verschaffte ihm Respekt. Aber manchmal übertrieb er auch, und der Ehrgeiz ging mit ihm durch. Er war bereit, sich für alles einzusetzen, was ihm politische Anerkennung und Beförderung versprach. Als er im Mai 1982 zum Kandidaten für das Politbüro gewählt wurde, trug er diese Ernennung mit großem Stolz und pochte auch im alltäglichen Umgang auf seinen Rang.
Als die Gespräche über die Bildung einer Wirtschaftsabteilung des ZK begannen, war er fest davon überzeugt, dass er der Leiter würde. Wer denn sonst? Er entfaltete eine stürmische Aktivität, bereitete für jede Plenartagung einen Auftritt oder einen großen Beitrag vor. Und auf einmal: nichts dergleichen, Ryschkow bekam den Posten. Dolgich empfand das als Schlag ins Gesicht, umso mehr, als er früher eng mit Ryschkow zusammengearbeitet hatte.
Die Beziehungen Andropows zu Schtscherbizkij, der besonders in den Parteikreisen der Ukraine große Autorität genoss, gestalteten sich schwierig. In moralischer Hinsicht war Schtscherbizkij zweifellos ein anständiger Mann. Im Grunde ein Technokrat, zog er in der Republik konsequent seine Linie durch: kümmerte sich sehr um die Wirtschaft, besonders den Kohleabbau und die Metallurgie, vergaß aber auch das Dorf nicht. Und was die Hauptsache war: Er hatte verantwortungsvolle Mitarbeiter.
Schtscherbizkij war allergisch gegen Nationalismus. Zwar konnte er wie andere Chefs der Republiken murren, das Zentrum gäbe keinerlei Rechte und Befugnisse, »selbst um ein Telegramm an Schiwkow zu schicken, braucht man die Erlaubnis des Politbüros in Moskau«. Aber da er von Anfang an das »Schwanken und Liebäugeln mit dem Nationalismus« seines Vorgängers Schelest verurteilt hatte, blieb er in diesem Punkt hart. Man hätte seinen Internationalismus begrüßen können, wenn er ihn nicht übertrieben hätte. So ließ er sich mit dem Schriftsteller Oles Gontschar auf eine Diskussion des Romans
Die Kathedrale
ein. Diese Diskussion heizte nur die Emotionen an und machte die Kontakte mit einem Teil der ukrainischen Intelligenzija hinfort unmöglich.
Auch Kaderfragen waren mit Schtscherbizkij nur schwer zu lösen. Da er, wie ich schon sagte, eine wirklich beeindruckende Persönlichkeit war, übte er Druck auf die Menschen um sich herum aus. Schon äußerlich sah er wie ein Fels aus, der nicht so leicht zu verschieben war. Das vergrößerte seine Bedeutung und löste Respekt aus. Aber Breschnews Satz, er sehe in Schtscherbizkij seinen Nachfolger, war ihm zu Kopf gestiegen. Kurz vor Breschnews Tod entfaltete er eine stürmische Aktivität,
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