Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
korrespondierenden Mitglied zweimal abgelehnt. Erst beim dritten Mal, 1976 , auf äußersten Druck vonseiten des ZK , wurde er gewählt, aber bei den nächsten Wahlen, bei denen er Mitglied der Akademie der Wissenschaften werden wollte, fiel er voll durch. Dieses Scheitern war nur eine Folge seines engstirnigen Dogmatismus und der ideologischen Intoleranz stalinistischer Färbung. Als ich sein Buch
An den großen Wendepunkten der Geschichte
las, sah ich, dass einem solchen Mann nur diejenigen die Leitung der Wissenschaft hatten anvertrauen können, die die kleinsten Umformungen und Reformen ablehnten.
Ich schlug an seiner Stelle Wadim Andrejewitsch Medwedew vor, den ich seit Beginn der siebziger Jahre kannte. Er galt unter seinen Forscherkollegen als kreativer Mann mit progressiven Ansichten. Andropow beauftragte mich, mit ihm zu sprechen. Medwedew, damals Rektor der Akademie der Gesellschaftswissenschaften, war nicht begeistert von dem Vorschlag, im ZK zu arbeiten. Die wissenschaftliche Arbeit zog ihn weit mehr an als die Arbeit im Apparat, er hatte an so etwas kein Interesse. Da ich sein Verantwortungsgefühl kannte, sagte ich, wir bräuchten einen Leiter der Abteilung Wissenschaft, dem die Notwendigkeit von Veränderungen in unserem Land klar sei. Das Argument wirkte, Medwedew erklärte sich bereit, unter der neuen Führung mitzuarbeiten.
Nach diesem Gespräch fand ein Treffen mit Andropow statt. Medwedew machte offenbar einen guten Eindruck. Andropow gab sein Einverständnis und scherzte in Anspielung auf Trapesnikow: »Ich möchte Ihnen sehr raten: Versuchen Sie nicht, gleich Akademiemitglied zu werden.«
Das war übrigens nicht nur ein Scherz. Das Bedürfnis der Mitarbeiter des Parteiapparats – inklusive der Mitarbeiter des ZK –, eine Dissertation zu verteidigen, war groß. Darunter waren nicht wenige, die durchaus einen wissenschaftlichen Grad verdienten, aber die Zahl derer, die sich aufgrund ihrer Dienststellung durchsetzten, überwog entschieden. Durch die Promotion sicherten sich manche Bürokraten ab, bei Schwierigkeiten auf leitende Stellen in wissenschaftlichen Instituten und Lehranstalten zurückgreifen zu können.
Zur Diskussion stand auch der Wechsel des Leiters der Abteilung für Organisations- und Parteiarbeit des ZK Kapitonow. Er war so etwas wie ein Schatten Breschnews, die ganze Politik der Stagnation bei den Kadern trug seine Unterschrift. Mehr als einmal kam er zu mir, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und sagte: »Wie oft habe ich schon das Material gegen fünf Leute mit mir herumgeschleppt, man muss sie auswechseln, aber ich weiß nicht, ob Breschnew zustimmt.«
Einen unentschiedeneren Menschen als ihn zu finden, war schwer. Bei den Sitzungen des Politbüros und des Sekretariats versuchte Kapitonow, die kleinsten Nuancen mitzukriegen und herauszufinden, woher der Wind weht, um es nach Möglichkeit allen Mitgliedern der Führung recht zu machen.
Als die Rede auf mögliche Kandidaten für das Sekretariat des ZK kam, sagte ich, wir brauchen Leute vom Typ Ligatschow. Mir gefielen seine Energie und sein Elan. Als ich im ZK arbeitete, hatte ich ständigen Kontakt mit Ligatschow, der Sekretär des Gebietskomitees Tomsk war, und sah seinen ehrlichen Versuch, mehr für sein Gebiet zu tun, besonders was die Lebensmittelversorgung betraf. Ligatschow zeichnete sich unter den Sekretären der Gebietskomitees nicht nur durch seine Tatkraft, sondern auch durch seinen Horizont und die allgemeine Kultur aus.
Ich äußerte meine Meinung über Ligatschow. Gromyko unterstützte mich und sagte, er kenne Ligatschow von seinen Auslandsreisen und habe ihn als einen reifen, integeren und prinzipientreuen Menschen erlebt.
»Warum suchen wir denn nach einem Mann vom Typ Ligatschow, wenn wir einen Ligatschow haben?«, fragte Andropow lachend.
Wir einigten uns auf ihn. Ich lud Ligatschow ein. Wie erwartet nahm er die Einladung sofort an, und ein paar Tage später war die Frage entschieden. Im Sommer 1983 wurde er zum Leiter der Abteilung ernannt und am 26 . Dezember auf der Plenartagung zum Sekretär des ZK gewählt.
Zum selben Zeitpunkt gab es noch einen Wechsel. Der Leiter der Geschäftsstelle des ZK Pawlow, der diesen Posten seit 1965 bekleidete, wurde abgesetzt. Wer das Innenleben des Parteiapparats der KPDSU nur ein bisschen kennt, weiß, dass der Inhaber dieses Postens einer der einflussreichsten Männer war, denn in seinen Händen konzentrierten sich alle materiellen Privilegien.
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