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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Sergejewitsch …« (Er wollte nur sondieren!)
    Ich rief dazu auf, nichts zu überstürzen, sondern die Plenartagung auf 17  Uhr und die Politbürositzung auf 14  Uhr am folgenden Tag festzusetzen. Dann hätten alle ein bisschen Zeit, eine Nacht und einen halben Tag, um alles zu überdenken. Das Politbüro würde zu einer Entscheidung kommen und sie der Plenartagung unterbreiten.
    13  Monate hatte Tschernenkos Zeit als Generalsekretär nur gedauert. Jetzt galt es, einen neuen Kandidaten aufzustellen. Ich musste mich schließlich auch selbst fragen, wie ich dazu stand. Einiges an Information war zu mir vorgedrungen. Auch mein Name wurde immer häufiger unter den Anwärtern genannt. Aber ich dachte bis zum letzten Moment: Das wird sich schon zeigen. Immerhin hatte ich diese Möglichkeit aber schon in Erwägung gezogen. Ich war ja die meiste Zeit mit der Leitung der Angelegenheiten des Politbüros und des Sekretariats beschäftigt gewesen und hatte einzigartige Erfahrungen gesammelt. Auch in meinen Beziehungen zu den Menschen hatte sich vieles geklärt, und man kannte mich nun besser. Trotz der Intrigen meiner Gegner hatte die Zeit selbst objektiv und eindeutig für meine Kandidatur gearbeitet.
    So kann es nicht weitergehen
    Am 11 . März kam ich erst um 4  Uhr morgens nach Hause. Raissa hatte auf mich gewartet. Wir gingen in den Garten. Seit wir in Moskau wohnten, hatten wir keine wichtigen Gespräche mehr in der Wohnung und in der Datscha geführt, man konnte ja nie wissen … Wir spazierten lange auf dem Pfad im Garten auf und ab und besprachen die möglichen Aussichten.
    Es fällt mir heute schwer, unser Gespräch in den Einzelheiten zu rekonstruieren. Aber an die letzten Worte, die ich in jener Nacht sagte, erinnere ich mich gut: »Weißt du, ich bin nach Moskau gekommen in der Hoffnung und dem Glauben, ich könne etwas bewegen, doch bis jetzt ist mir wenig gelungen. Wenn ich wirklich etwas verändern will, muss ich den Vorschlag annehmen, wenn er kommt. Du siehst ja: So kann es nicht weitergehen.«
    Am Morgen rief Ligatschow an und sagte, die Ersten Sekretäre liefen Sturm, sie kämen einer nach dem anderen, um zu fragen, wen das Politbüro zum neuen Generalsekretär bestimmt habe.
    Ich ging ins ZK , zum Politbüro und der Plenartagung.
    Noch immer kursieren viele Gerüchte über die damaligen Vorgänge. Es sei zu einem regelrechten Handgemenge gekommen, habe mehrere Kandidaturen für den Generalsekretär gegeben und das Politbüro sei zu der Plenartagung gegangen, ohne sich auf einen Kandidaten geeinigt zu haben. Alles Märchen, reine Erfindungen, an denen nichts dran ist. Das können diejenigen, die an den Ereignissen unmittelbar beteiligt waren und von denen ein Teil auch jetzt bei guter Gesundheit ist, bestätigen. Natürlich wurde das Problem des Nachfolgers im Zuge der heftigen Verschlechterung von Tschernenkos Gesundheitszustand diskutiert, es gab Leute, die sich dafür stark machten und ihre Chancen sondierten. Der Parteiapparat des ZK war in jenen Tagen nur mit diesem Problem beschäftigt. Dass es in der Führung verschiedene Fraktionen gibt, war kein Geheimnis mehr.
    Es gab auch Gegner meiner Wahl. Kurz vor dem Tod Tschernenkos erzählte mir Tschebrikow, der damalige Leiter des KGB , von einem Gespräch mit Tichonow, der ihn davon überzeugen wollte, nicht für mich zu stimmen. Tschebrikow fiel auf, dass Tichonow keinen anderen Namen ins Gespräch brachte. Da dachte er sich: »Du spekulierst wohl selbst auf diesen Posten!«
    Meine damaligen Gegner konnten nicht von den Stimmungen in der Gesellschaft absehen, von der Position der Ersten Sekretäre, die fest entschlossen waren, es nicht zuzulassen, dass das Politbüro wieder einen alten, kranken oder schwachen Mann auf den höchsten Posten hievte.
    Ein paar Gruppen von Ersten Sekretären der Gebietskomitees suchten mich auf. Sie drängten mich, eine feste Position zu beziehen und das Amt des Generalsekretärs zu übernehmen. Im Gespräch mit einer dieser Gruppen erklärte man mir, sie hätten sich organisiert und seien nicht mehr bereit, dem Politbüro zu erlauben, solche Fragen ohne Rücksicht auf die Meinung der Mitglieder des ZK zu lösen. Ustinow, auf dessen Unterstützung ich hätte zählen können, lebte nicht mehr.
    Ich möchte betonen, dass ich niemandem, auch nicht Ligatschow und Ryschkow, klar zu- oder absagte. Warum? Ich wollte alles bis ins Letzte klären. Ich wusste ja, welches Risiko ich einging, in welchem Zustand das Land war und wie

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