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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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geeignete Schlüsse. Für die Politik ist es nicht nur erforderlich, Fragen in kleine Portionen zu zerlegen – da liegen sie dann, und nichts bewegt sich –, sondern man muss auch die nötigen Schlüsse ziehen, damit diese Schlussfolgerungen wiederum unsere Politik stärken. Er hat dies mehrfach auf den Sitzungen des Politbüros und des ZK -Sekretariats demonstriert … Das Urteilsvermögen Michail Sergejewitschs zeichnet sich stets durch seine Reife und Ausdauer aus, im besten Sinn des Wortes …
    Somit ist die Wahl des Politbüros eine gute Wahl. In der Person Michail Sergejewitsch Gorbatschows haben wir einen großen Politiker, einen ausgezeichneten Menschen, der den Posten des Generalsekretärs des ZK der KPDSU würdig ausfüllen wird …«
    Nachdem Gromyko mich vom Politbüro der Plenartagung für das Amt des Generalsekretärs vorgeschlagen hatte, waren alle gespannt, was der neue Generalsekretär sagen werde. Natürlich hatte ich über meine Ansprache nachgedacht. Ich setzte mich sofort für die Weiterführung einer beschleunigten sozialwirtschaftlichen Entwicklung des Landes und die Optimierung aller Lebensbereiche der Gesellschaft ein. Dieses Ziel sei aber nur zu erreichen, wenn man die Volkswirtschaft auf intensive Entwicklung umstelle und die Errungenschaften des wissenschaftlich-technischen Fortschritts nutze. Als wichtigste Aufgabe hob ich eine Verbesserung des Wirtschaftssystems und der gesamten Verwaltung hervor. Hand in Hand damit solle die Aufmerksamkeit für die Sozialpolitik, die Entwicklung der Demokratie und des gesellschaftlichen Bewusstseins verstärkt werden. Auf Ordnung, Disziplin und Gesetzlichkeit solle mehr Gewicht gelegt werden.
    Was die Außenpolitik betrifft, so hatte ich eine klare Position. Unser Kurs war auf die Erhaltung des Friedens aus. »Wir wollen eine Einstellung, nicht die Fortführung des Wettrüstens und schlagen daher vor, die Atomarsenale einzufrieren und die weitere Aufstellung von Raketen zu stoppen. Wir wollen eine effektive und umfassende Reduktion der Waffenarsenale, nicht eine Entwicklung immer neuer Waffensysteme.«
    Schließlich erklärte ich, die KPDSU sei die Kraft, die die Gesellschaft eine und zu den großen dringend notwendigen Änderungen befähige. Wir stünden an einem ernsten Scheideweg, aber die Leitung sei guten Mutes.
    Der Leser könnte fragen: Was hat Gorbatschow an jenen Märztagen denn eigentlich Besonderes gesagt? Ja, aus heutiger Sicht kann man das alles als Klischees bewerten – aber nur aus heutiger Sicht. Eine ganz andere Einschätzung ergibt sich, wenn man bedenkt, dass damit eigentlich alles begann.
    Ich hoffte, dass alles, was ich vorschlug, auf offene Ohren stoßen würde. Meine Haltung zu den innenpolitischen Problemen und die ganze Rede fanden die Zustimmung der Plenartagung.
    Während Tschernenkos Beerdigung traf ich die Hauptakteure aus dem Ausland. Ich sprach mit ihnen in Gegenwart des Außenministers. Die Treffen waren aussagekräftig, und es waren viele: mit Vizepräsident Bush und Außenminister Shultz, Bundeskanzler Kohl, Präsident Mitterrand und Premierministerin Thatcher. Ein interessantes Gespräch hatte ich auch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Nakasone.
    Bei dieser Gelegenheit traf ich mich trotz aller Schwierigkeiten auch gesondert mit den führenden Politikern der Länder des Warschauer Paktes. Ich hielt es für nötig, ihnen zu sagen, sie könnten davon ausgehen, dass wir die Unabhängigkeit und Selbständigkeit unserer Freunde respektierten. Die Leitung jeder einzelnen Partei sei für die Ausarbeitung und Durchführung ihrer Politik ausschließlich ihrer eigenen Partei und ihrem eigenen Volk gegenüber verantwortlich. Ansonsten würden wir unsere engen Verbindungen und die Zusammenarbeit entsprechend den Verpflichtungen, die wir übernommen hätten, fortführen und weiter entwickeln. Der Hauptgedanke war, dass wir uns nicht in ihre inneren Angelegenheiten einmischen würden. Das bedeutete eine Abkehr von der sogenannten »Breschnew-Doktrin« [29] .
    Mir schien damals, und die späteren Ereignisse sollten das bestätigen, einige Führer der sozialistischen Länder stuften meine Erklärung wie die der früheren sowjetischen Generalsekretäre ein: als Phrase. Im Grunde genommen waren sie überzeugt davon, alles gehe weiter wie bisher. Doch dieser meiner Erklärung sind wir bis zum Schluss treu geblieben, während der ganzen Arbeit zur Demokratisierung der internationalen Beziehungen und Beendigung des Kalten

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