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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Standesämter gab es viel Interessantes, das Auskunft gab über den Stand der Medizin jener Zeit. Die Vermerke über die jeweilige Todesursache waren lakonisch: »durch Gottes Gnade verschieden«, »an Husten« oder »an Bauchschmerzen«.
    In einer der vorrevolutionären Arbeiten über das Leben der Bauern stieß man auf Angaben über wiederholte Dürreperioden im Gouvernement Stawropol. Daraus ging hervor, dass jedes zweite Jahr eine Dürre geherrscht hatte. Auch Staubstürme waren manchmal durch die Region gezogen und hatten die gesamte Saat vernichtet. Es kam vor, dass einige Jahre hintereinander im Winter die Weizensaat erfror, im April Schneestürme herrschten und eine Dürre folgte. Dann verließen die Bauern die angestammten Orte und zogen fort, oft für immer. In einzelnen Jahren hatte das Gouvernement einen Bevölkerungsverlust von 20  Prozent zu verzeichnen.
    Raissa lag so viel Material vor, dass man eine Habilitation hätte schreiben können. Aber dazu reichte die Zeit nicht. Das zusammengetragene Material ermöglichte Raissa, die Wohn-, Arbeits- und kulturellen Bedingungen von Stadt und Land zu vergleichen. Auch mir leistete dieses Material gute Dienste.
    Die Arbeit an der Dissertation war anstrengend. Als dann das Resümee vorgelegt werden sollte, die letzte Etappe vor der Verteidigung der Dissertation, wurden auch Reisen nach Moskau zur Beratung mit dem Doktorvater nötig.
    Während Raissas Abwesenheit hatten wir unser eigenes Familienleben. Irina kam zum Mittagessen aus der Schule, sie war zehn. Ich teilte mir meine Arbeit so ein, dass ich mittags nach Hause fahren konnte. Wir kochten zusammen. Irina beteiligte sich an allem. Ich gab ihr bewusst Aufträge. Sie war glücklich. Und samstags und sonntags gingen wir zu zwei, drei Vorstellungen hintereinander ins Kino.
    Die Geschichte mit der Dissertation endete mit zwei Feiern. Zur einen waren Raissas Kollegen vom Lehrstuhl in ein Restaurant im Grünen geladen, zur anderen enge Freunde; sie fand bei uns zu Hause statt. Raissa kam von der Arbeit zurück und bat ihre Freundinnen Lida Budyka und Nellja Sokolowa, ihr zu helfen, ein Abendessen zuzubereiten. Sie machten Pelmeni, Salate und alle möglichen Leckerbissen. Fleisch und anderes kauften sie im Geschäft, das zum Glück in der Nähe war. Auch was es in den Läden gab, war auf dem Tisch reichlich vertreten. Um 7  Uhr abends war ein wundervolles Mahl bereitet. Das musste ja auch sein: so ein Ereignis, der Abschluss der Dissertation.
    Wenn ich vom Überfluss der Lebensmittel in diesen Jahren erzähle, kommt mir die spätere Zeit in den Sinn. Einige Jahre darauf, als ich Sekretär für landwirtschaftliche Fragen im ZK der KPDSU war, wurde im Politbüro einmal über die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gesprochen. Leonid Breschnew fragte: »Der Handel läuft immer schlechter, besonders was Fleisch betrifft. Wo ist das denn alles hingekommen?«
    Er wartete auf eine Antwort. Ich sagte, wir hätten schon in den sechziger Jahren Probleme mit der Aufbewahrung von Fleisch und Fleischprodukten gehabt. Es gäbe zu wenige Kühlschränke. Die Städte weigerten sich, den fleischverarbeitenden Betrieben die Ware abzunehmen. Das gehe so weit, dass erfinderische Betriebsleiter das Fleisch im Elbrusgebiet, in den Gletschern des Nordens, lagerten. Man glaubt es kaum, aber das entsprach den Tatsachen. Und es lag auch nicht daran, dass der Pro-Kopf-Verbrauch gestiegen war. Nein, in den achtziger Jahren lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Fleischprodukten bei 52 bis 54  Kilo. In den sechziger Jahren waren es weniger als 50  Kilo.
    Breschnew fragte: »Ja, wie kommt denn das?«
    Das lag daran, dass die Nachfrage sehr viel größer war als das Angebot. Man musste diese Prozesse eben lenken!
    Nun aber zu unserem denkwürdigen Abend zurück. Im selben Haus wie wir lebten unsere Landsleute aus dem Bezirk Krasnogwardejskoje des Stawropoler Landes, die Larionows, bei denen wir im Januar 1957 waren, als die Wehen bei Raissa einsetzten. Nun wohnten wir im selben Haus. Die beiden waren älter als wir. Als ich sie zu der Feier einlud, war unsere Runde schon nicht mehr nüchtern. Pawel kam schnell in Stimmung. Aber als Maria die jungen beschwipsten Leute bemerkte, rief sie aus: »Was ist denn das, Raissa Maximowna? Ich sehe Sie zum ersten Mal in diesem Zustand – Sie sind doch eine gebildete Frau! Mischa, schäm dich, was hast du mit deiner Frau angestellt?!«
    »Maria Sergejewna! So ist das Leben nun mal in dem Moment, wenn

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