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Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)

Titel: Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Gorbatschow
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Föderation, Leonid Florentjew. Ich gab ihm den Text meiner Rede zu lesen, er sagte: »Ich finde die Rede gut.« Er empfahl mir aber, einige für mein Gefühl wichtige Überlegungen zu streichen. Sein Argument: »Warum willst du die Situation zuspitzen?«
    »Wieso zuspitzen? Das ist doch kein leeres Gerede, sondern die Darstellung eines Versuchs, der uns sehr viel weiterbringt.«
    Trotzdem blieb der Minister bei seiner Meinung: »Ich rate dir ab.«
    Als ich die Tribüne betrat und meine Rede begann, lief zunächst alles wie gewöhnlich: Die Mitglieder des ZK lasen Zeitung, die Mitglieder des Politbüros saßen hinter mir und hörten zu. Aber auf einmal wurden die Versammelten still, und hinter meinem Rücken begann eine Unterhaltung. Ich hörte, wie Breschnew fragte: »Worüber spricht der eigentlich?«
    Mir ging der Gedanke durch den Kopf, Florentjew wird wohl doch recht gehabt haben. Trotzdem war ich aufgetreten. Den einen gefiel meine Rede, die andern lehnten meine Einschätzung eher ab.
    Das Plenum endete. Die Beschlüsse sahen so aus, wie ich es erwartet hatte. Sie zielten auf eine Verstärkung der technischen Ausrüstung der Landwirtschaft.
    Zurück zu meinem »geliebten« Bericht über die Probleme der Landwirtschaft für die Juli-Plenartagung des ZK im Jahr 1978 . Ich erinnerte mich erst wieder an diesen Bericht und erkundigte mich, wo er war, als ich Generalsekretär wurde. Natürlich hatte ich eine Kopie in meinem persönlichen Archiv. Aber ich wollte wissen, wo das Original war und was mit ihm geschehen war. Es wurde gesucht, war aber nicht zu finden. Der Bericht wurde schließlich in der Filiale des Archivs des ZK in Tschita entdeckt. »In der sibirischen Verbannung« also. Später habe ich ihn in meine Gesammelten Werke aufgenommen.
    Brautschau
    Zwei Wochen verstrichen. Plötzlich starb Kulakow. Ich wandte mich an das ZK und äußerte den Wunsch, an der Beerdigung teilzunehmen. Man willigte ein. Ich überlegte mir eine Rede. Er wurde an der Kremlmauer beigesetzt, die Feier fand vor dem Mausoleum statt. Ich war damals zum ersten Mal am Mausoleum und hielt meine erste Rede.
    Ich habe es bereits erwähnt – mir kam es merkwürdig vor, dass weder Suslow noch die anderen in den Urlaub gefahrenen Politbüromitglieder an Kulakows Beerdigung teilnahmen. Noch heute kursieren allerhand Gerüchte, jemand habe Kulakow loswerden wollen, weil dieser auf den Posten des Regierungschefs spekulierte. Dass es in diesem Punkt unterschiedliche Meinungen gab, merkte ich bei einem meiner Gespräche mit Andropow. Als ich von einem möglichen weiteren Aufstieg Kulakows auf einen höheren Posten sprach, sagte er: »Weißt du, Kulakow ist da, wo er hingehört.« Das heißt, er dachte nicht an die Möglichkeit seines Aufstiegs, es gab also oben Widerstände.
    Nach Kulakows Tod begann die Suche nach einem Ersatzmann für diesen extrem wichtigen Posten. Die Besonderheit des ZK -Sekretärs für Landwirtschaft bestand darin, dass er viele Abteilungen betreute und ständig die Verbindung mit dem ganzen Land hielt, das heißt mit allen Sekretären der Zentralkomitees der Kommunistischen Parteien der Republiken, Regions- und Gebietskomitees. Kulakow war eine Vertrauensperson des Generalsekretärs und ein zuverlässiger Mann für die Umsetzung von Breschnews Politik.
    Im Sommer, in der Urlaubszeit, besuchte Kirilenko, Sekretär des ZK und Politbüromitglied, das Stawropoler Land. Wir fuhren mit ihm durch die Gegend und unterhielten uns über viele Themen. Ich begriff, dass er weniger den Wunsch hatte, die Gegend als mich selbst kennenzulernen, obwohl wir uns auch vorher gekannt und den Kontakt gehalten hatten. Ehrlich gesagt, sein Arbeitsstil und seine Umgangsform gefielen mir nicht. Und dass ich das nicht sonderlich verbarg, gefiel ihm wiederum nicht.
    In diesem Sommer rief Andropow einmal an und fragte, wann und wohin ich in Urlaub fahren wolle. Ich sagte: »Nach Kislowodsk, wie immer, wenn die Getreideernte unter Dach und Fach ist.«
    »Gut. Dann komme ich auch um diese Zeit, und wir treffen uns.«
    »Gut, gerne.«
    Er hatte mich früher nie vor seinem Urlaub angerufen, obwohl ich ihn jedes Mal abholte. Denn das war die Regel: Die örtlichen Chefs holten das Politbüromitglied ab und geleiteten es zu seinem Urlaubsort (die Machthaber müssen geehrt und unterstützt werden!).
    Dieses Mal verkehrten Andropow und ich häufiger als sonst, wir unternahmen Spaziergänge und unterhielten uns lange. Die Probleme, die wir ansprachen, waren

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