Alles zu seiner Zeit: Mein Leben (German Edition)
ganz unterschiedlich. An der Art, wie er das Gespräch führte, merkte ich, dass er mich prüfte – obwohl er alles über mich wusste. Zu diesem Zeitpunkt standen wir schon auf gutem Fuß. Gegen Ende unseres Urlaubs rief er mich mitten am Tag an und sagte: »Hör mal, Michail, Breschnew fährt nach Aserbaidschan. Da gibt es ein großes Fest. Unterwegs empfangen ihn die Sekretäre der Gebietskomitees, die an der Strecke liegen. Du musst dich wahrscheinlich auch daran beteiligen.«
»Natürlich. Aber keiner hat mir etwas davon gesagt oder angerufen.«
»Dafür bin ich ja da. Lass uns beide zusammen fahren.«
Um 9 Uhr abends kamen wir am Bahnhof Mineralnyje Wody an. Im Süden währt die Dämmerung nur kurz, und die Nacht fällt sehr plötzlich ein. Helle Sterne, die Lakkolith-Berge: Smeika, Maschuk, Schelesnaja. Betörende Stille. Ein Abend Anfang Herbst.
Ein Spezialzug fuhr ein. Breschnew und Tschernenko stiegen aus. Zu viert spazierten wir dreißig, vierzig Minuten (vielleicht auch eine Stunde) auf dem Bahnsteig auf und ab und unterhielten uns. Es war ein ganz gewöhnliches Gespräch. Ich berichtete Breschnew, wie die Ernte ausgefallen war (es war ein sehr ertragreiches Jahr) und wie der Bau des Kanals, für den er sich immer interessierte, fortschritt. Ich fragte ihn, warum er seinen Urlaub abgebrochen habe, er hätte sich länger ausruhen sollen. Er winkte ab. Dann wechselten die beiden ein paar Worte mit Andropow, und wir gingen auseinander.
Dem Anschein nach war es ein ganz gewöhnliches Treffen. Breschnew traf sich mit allen Sekretären. Aber später betonten viele: Einmal trafen sich Breschnew, Andropow, Tschernenko und Gorbatschow auf einem Bahnhof, die vier Generalsekretäre, mit denen die »GenSek«-Geschichte unseres Landes endete.
Andropow war zufrieden mit dem Treffen. Weder an jenem Tag noch später sagte er mir, dass das eine weitere »Brautschau« war. Auf den Posten des ZK -Sekretärs für Landwirtschaft spekulierten Medunow (Region Krasnodar) und Bondarenko (Gebiet Rostow). Mit Fjodor Morgun wurde verhandelt.
Das Plenum des ZK fand in jenem Jahr spät statt: am 27 . November 1978 , einem Montag. Ich traf vorher in Moskau ein, am Samstag. Ich wollte nur eins: meinen Freund Marat Gramow besuchen, der fünfzig wurde – ein Stawropoler Landsmann, wir waren seit der Komsomolzeit befreundet. Er hatte das Amt des Vorsitzenden des Staatskomitees der UDSSR für Leibesübungen und Sport inne.
Ich rief ein Auto und kam um zwölf bei Marat an. Später hieß es, ich werde gesucht. Aus der Allgemeinen Abteilung des ZK riefen sie die Garage an und erfuhren, wohin und zu wem man mich gefahren hatte. In Gramows Wohnung wurde angerufen und nach Gorbatschow gefragt. Marats Sohn sagte, der wohne dort nicht. Ich glaube nicht, dass er beschlossen hatte, mich einfach nicht ans Telefon zu holen.
Erst um 6 Uhr abends fanden mich die aufgebrachten Mitarbeiter Tschernenkos, und ich musste zum Staraja Ploschtschad kommen. Ich entschuldigte mich und sagte, ich sei bei der Geburtstagsfeier eines Freundes gewesen. Tschernenko sagte: »Breschnew hat auf dich gewartet und ist jetzt weggefahren.«
»Das hätte man mir vorher sagen müssen.«
»Sollen wir dem Generalsekretär etwa Vorschriften machen, wie er sich zu verhalten hat?! Breschnew hat mich gebeten, dir zu sagen, dass er dich morgen beim Plenum als Kandidat für das Amt des ZK -Sekretärs für Landwirtschaft vorschlagen will.«
»Ich weiß nicht, ob ich der Richtige dafür bin. Kann das nicht jemand anderes machen?«
»Weißt du, was ich dir rate: Deine Antwort muss einfach und klar sein: Danke für das Vertrauen und basta. Es geht nicht darum, ob du der Richtige bist oder nicht, sondern darum, dass du das Vertrauen Breschnews hast. Ist das klar?«
»Ja, Konstantin Ustinowitsch.«
So erfuhr ich also, dass der Generalsekretär des ZK mich dem ZK -Plenum für diesen hohen Posten vorschlagen würde. Nach der Diskussion meiner Person stimmten die ZK -Mitglieder am nächsten Tag einträchtig für mich.
In der Pause, nach meiner Wahl, ging ich zu Leonid Iljitsch und dankte ihm für sein Vertrauen. Er nickte nur mit dem Kopf.
Am nächsten Tag ging ich zu ihm in den Kreml. Ich wurde sofort empfangen, spürte aber keine sonderliche Sympathie mir gegenüber. Das Einzige, was Breschnew sagte, war: »Schade um Kulakow – ein guter Mann.«
Wahrscheinlich hat bei meiner Wahl jemand anders die Finger im Spiel gehabt, dachte ich damals.
Beim Plenum kam Kosygin
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