Allie kommt gross raus Band 4
du bekommst sie sowieso, das weiß ich genau.«
Die beste Methode, jemanden davon abzuhalten, sauer zu werden, ist, ihm oder ihr Komplimente zu machen. Auch wenn sie gar nicht stimmen . Das ist eine Regel.
Bei Sophie funktionierte das. Sie lächelte, die Sorge schwand aus ihrer Miene und sie sagte: »Oh nein, Allie. Ich bin nicht sauer. Ich verstehe dich. Du hast es nur getan, damit Cheyennes Auftritt schlechter erscheint. Das hast du geschafft. Abgesehen davon, bekomme nicht ich die Rolle, sondern du.«
»Nein«, sagte ich. »Du.«
»Nein«, sagte Sophie. »Du.«
»Nein«, sagte ich. »Du.«
»Nein«, sagte sie. »Du.«
»Hört ihr bitte auf damit?«, bat Rosemarie. »Davon kriege ich Ohrenschmerzen.«
Onkel Jay hatte also völlig recht gehabt. Sophie war nicht sauer. Hier konnte wirklich der oder die Beste gewinnen. Jetzt lag die Entscheidung bei Mrs Hunter. Wir hofften alle, dass sie nicht Cheyenne die Rolle der Prinzessin geben würde. Aber wir konnten uns nicht vorstellen, dass sie es nicht erwog.
»Immerhin hat sie ein Porträtfoto und einen Lebenslauf mitgebracht«, sagte Sophie, als wir uns auf den Heimweg machten. »Und sie hat richtig geweint. Das waren echte Tränen. Hinterher wird ihr noch schlecht, wenn sie das so weitertreibt.«
Das fanden wir auch. Wir erinnerten uns alle an die Tränen, man konnte sie auch schwer vergessen, zumal Cheyenne uns dauernd daran erinnerte.
»Ich habe diese Technik gelernt, als ich bei ›Anne auf Green Gables‹ mitgespielt habe«, erklärte sie am Nachmittag allen, die zufällig herumstanden. »Der Regisseur hat mich aufgefordert, an das Traurigste zu denken, was mir je passiert ist. Deshalb denke ich in solchen Fällen immer daran, wie meine Mutter mich mit all meinen Freunden zur Feier meines Geburtstags zu einem Konzert der Jonas Brothers mitnehmen wollte. Aber sie hat die Eintrittskarten nicht rechtzeitig besorgt, und dann war das Konzert ausverkauft. Stattdessen musste ich mit meinen Freunden ›Die Schöne und das Biest auf dem Eis‹ ansehen. Es war megapeinlich. Ich habe einen ganzen Monat nicht mit meiner Mutter gesprochen. Wenn ich nur daran denke, kommen mir die Tränen. Da, schon wieder.«
Wir schauten hin und es stimmte. Cheyenne konnte auf Kommando weinen, nur weil sie daran dachte, dass sie an ihrem Geburtstag nicht zum Konzert der Jonas Brothers hatte gehen können.
»Ich hätte auch weinen sollen«, sagte Sophie mit einem Seufzer.
»Nein«, widersprach Caroline. »Du warst gut! Mach dich nicht schlecht.«
»Du warst die Beste«, sagte Erica.
Dann verbesserte sie sich rasch.
»Du und Allie, ihr wart die besten Prinzessinnen. Völlig verschieden, aber am besten. Für Mrs Hunter wird es schwer
werden, sich zu entscheiden. Ich bin froh, dass ich nicht in ihrer Haut stecke.«
Ich dagegen glaubte nicht eine Sekunde, dass es Mrs Hunter schwerfallen würde, sich zu entscheiden. Schließlich hatte ich etwas, was weder Cheyenne noch Sophie zu bieten hatten: eine Mutter, die für die Fernsehsendung Good News arbeitete. Obwohl das natürlich nichts mit meinem Auftritt als Prinzessin Penelope zu tun hatte. Außer dass meine Mutter Filme bespricht. Warum also nicht auch Schultheaterstücke? Mrs Hunter wollte doch bestimmt, dass ihr Stück im Fernsehen besprochen würde, oder nicht?
Ich wollte vor Sophie, Erica und Caroline nicht damit angeben. Es war nur einfach so: Wenn meine Mutter an diesem Abend zum ersten Mal in Good News auftrat und Mrs Hunter zuschaute - und das würde sie, weil ich beim Aufstellen zur Pause ihr gegenüber zufällig erwähnen würde, dass meine Mutter fürs Fernsehen arbeitet. In der Art: »Hallo, Mrs Hunter? Wissen Sie was …?« Und dann hätte Mrs Hunter noch einen Grund mehr, mir die Rolle zu geben.
Ich weiß, richtig fair war das nicht. Aber waren Sophies wunderschöne braune Augen und Haare etwa fair? Waren Cheyennes Porträtfoto und ihr Lebenslauf etwa fair gewesen? Oder, dass sie die Sache mit dem verpassten Konzert der Jonas Brothers ausnutzte, um sich zum Weinen zu bringen?
Wenn es um den Erfolg auf der Bühne ging, spielte Fairness
keine Rolle. Es ist die Härte! Und wer etwas erreichen will, kann sich nicht immer an die Regeln halten. Und das ist eine Regel.
Regel Nummer 6
Freunde setzen alles daran, dass es ihren Freunden besser geht
Zu Ehren ihres Fernsehdebüts gab meine Mutter eine kleine Party bei uns zu Hause. Sie hatte Ericas Eltern und ihre älteren Geschwister Missy und John sowie Onkel Jay und
Weitere Kostenlose Bücher