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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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behandelte, etwa »meine Muschi« oder »die Vorhaut«.
    »Dann gibt es bei euch Gnade auch für den Massenmörder«, konstatierte ich, »wenn er nur inbrünstig genug glaubt.«
    Vickys Täuferblick bohrte sich gelangweilt in meinen. »›Du sollst nicht töten‹, steht in der Bibel. Das gilt.«
    Damit stand er auf, räumte die Milchtüten und alles, was senkrecht stand, auf seitige Ablageflächen und schob den Restmüll vom Tisch in die Bankecke. Dabei segelte eine Postkarte weit in die Küche. Sie zeigte Südseewasser und eine Felsküste. Darauf war ein Bibelspruch gedruckt. »Aber das Tor, das zum Leben führt, ist eng und der Weg dahin ist schmal und nur wenige finden ihn. Matthäus 7,13/14.« Brr!
    Auf der Adressseite klebte keine Marke und stand kein Absender, aber Maxis voller Name. »Was ist das?«
    »Ein Mahnkärtchen.« Vicky hatte begonnen, Teller zu verteilen, und schien nichts weiter sagen zu wollen. Als ob Bibelspams völlig normal wären. In was für eine schaurige Gegend war ich da geraten?
    »Wie ist das eigentlich mit der Parthenogenese?«, fragte ich und legte die Messer, die er ausgeteilt hatte, mit der Schneidekante zu den Tellern.
    »Die Parthenogenese ist bei Käfern und Wechselwarmen weit verbreitet.«
    »Und was für einen Vorteil bringt sie?«
    »Sie ist nur dann von Vorteil, wenn ein Lebensraum schnell von einer Art besiedelt werden soll. Wenn sich ein Lebensraum schnell ändert, hat wiederum die geschlechtliche Fortpflanzung einen Vorteil, der genetischen Varianz wegen.«
    »Andererseits«, gab ich zu bedenken, »leben wir Menschen in einem Lebensraum, der sich kaum verändert. Und wenn er sich verändert, fangen wir das mit Technik ab. Wir könnten also langsam zur Parthenogenese übergehen.«
    »Was nichts anderes ist als das Klonen«, sagte Vicky widerstrebend. »Und da sind die Biologen überall auf der Welt dran.«
    »Vielleicht sogar einer in Balingen? Ein gewisser Felix Zittel in seinem urologischen Labor?«
    »Ausgeschlossen! In Deutschland ist ja schon der bloße Gedanke daran verboten.«
    »Das kannst du als Christ doch nicht bedauern!«
    Er druckste. »Letztlich würde man nur einen Menschen kopieren, nicht aber einen neuen schaffen, vor allem keinen perfekten oder künstlichen! So wie es die Marmorkrebse mit ihrer natürlichen Fähigkeit machen, sich zu klonen. Ich frage mich manchmal durchaus, ob wir es uns nur verbieten, weil wir es im Reagenzglas machen. Aber dann müsste man die Befruchtung im Reagenzglas auch verbieten.«
    »Logisch.«
    »Und vielleicht brauchen wir tatsächlich irgendwann kein Reagenzglas mehr dazu.« Plötzlich flackerte das Feuer wissenschaftlicher Leidenschaft in seiner Stimme und in seinen Augen. »Dazu muss man wissen, dass die Parthenogenese neben dem stabilen Lebensraum noch eine Voraussetzung braucht: die Wechselwärme des Individuums.«
    »Wie das?«
    »Wechselwarme passen ihre Körpertemperatur der Außentemperatur an und können ihren Stoffwechsel bei Kälte auf null reduzieren. Das ist, wie es scheint, die Voraussetzung für Parthenogenese. Man kann Eizellen von Säugern zur Teilung anregen, indem man sie plötzlich herunterkühlt und außerdem in eine alkalische Lösung setzt.«
    »Das heißt, ich werde nur deshalb nicht ungewollt von mir selbst schwanger, weil meine Körpertemperatur stabil ist.«
    Er schaute mich an. »Und weil der PH-Wert deines Bluts immer gleich bleibt. Sein Säuregehalt müsste sich drastisch senken.«
    Ein Schauer huschte mir den Rücken hinunter.
     

16
     
    Kurz vor eins kamen Barbara und Jacky aus dem Laden und Maxi aus ihren Geheimnissen. Ich schüttete den Inhalt des Gulaschtopfs in zwei Schüsseln. Jacky kreischte und stürzte sich auf einen Lappen, um die Spritzer von den Kacheln zu wischen. Die gebutterten Spätzle rutschten stiller. Maxi stellte die dampfenden Schüsseln auf den Tisch. »Das könnten wir eigentlich öfter machen«, sagte sie voller Wohlgefallen.
    Ich spürte Barbara angespannt ausatmen.
    Henry kam herein, angetan mit einem Bananenrock, der die Siebziger überlebt hatte, und einem feuchten Trägershirt, das trotz BH den Muttermilchbrüsten heillos unterlegen war. Sie stellte das Kipf, das in einer Babytrage schlief, auf dem Boden ab, umrundete mit laszivem Hüftschwung und der Last des heißen Sommers in den Schenkeln den Tisch und schob ihre Hinterbacken an der Langseite auf die Bank. »Gulasch?«
    »Lisa hat gekocht«, sagte Maxi.
    Henriette blickte mich an, als hätte ich mich selbst

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