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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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werden!«
    »Sie haben doch auch ein Handy«, sagte Richard. Keiner beherrschte wie er die Kunst, sich von einem Moment zum nächsten der Kumpanei zu entziehen, die ein sich um Kopf und Kragen redender Narr, Verbrecher oder Gestrauchelter mit ihm suchte.
    »Das hieße«, knarzte Zittel mit zitternden Backen, »der Schöpfung ins Handwerk pfuschen.«
    »Nun ja«, erwiderte Richard. »Verpfuschen kann man da nicht mehr viel.«
    Zittel schnaubte. »Niemals«, dröhnte er über die nächtliche Terrasse, »kann und darf der Mensch so vermessen sein, es besser machen zu wollen als unser Schöpfer. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren, denke ich.«
    Sämtliche Köpfe hatten sich gedreht. Weiße Gesichter leuchteten aus dem Dunkel zu uns herüber.
    Richard beugte sich vor. »Mord und Totschlag«, sagte er ruhig, »Hunger und Elend, Terror und Tod, das haben wir schon alles, dazu Krankheiten, Schmerzen, Wahnsinn. Und sagen Sie nicht, sie seien Gottes Strafen für jene, die sich von ihm abgewandt haben. Wissen Sie, was ich nie verstanden habe? Diese Lust an der Prüfung, an der Strafe, mit der wir uns zwingen, in unserem Scheitern und Leiden einen Plan Gottes zu suchen. Was für eine perfide Idee zu glauben, Gott habe uns als seine Abbilder geschaffen, aber mit so vielen Fehlern und Mängeln ausgestattet, dass er Jesus schicken musste, um uns zu retten, was zudem misslungen ist. Ihr Glaube an das Tausendjährige Reich mit neuem Himmel und neuer Erde ist doch nichts anderes als das Eingeständnis, dass Gott einen zweiten Versuch braucht, weil sein erster schiefgegangen ist.«
    Die Eyach rauschte übers Wehr, hier und dort klirrten Gabeln auf den Tischen, Stühle knarrten, und Zittel schnappte nach Worten. »Sie sind zu bedauern! Da bleibt mir nur, für Sie zu beten.«
    Richard sprang pure Mordlust aus den Augen, gepaart mit Lust am Untergang. »Das …«, sagte er.
    Ich warf rasch mein Bierglas um.
    Zittel sprang auf, um seine hellen Hosen zu retten.
    »… verbitte ich mir!«, vollendete Richard seinen Satz.
    Zittel hörte nicht. Mit hastiger Hand wischte er Bier von seinem Hosenstall und polierte sich einen gelblichen Fleck in den Schritt.
     

24
     
    Womöglich war das Glas Wodka, das Richard mir lammfromm hingeschoben hatte, nicht das erste gewesen, das ihm die Dame zwischen Tresen, Spüle und Flaschen hingestellt hatte. Wodka war das Getränk der heimlichen Trinker, weil es den Atem nicht mit Alkohol tränkte.
    »Weißt du«, kicherte er, als wir die Treppe zur Zehntscheuer hinaufstiegen, »weißt du, was mir an dir von Anfang an gefallen hat, Lisa? Deine katholischen Augen. Nein, im Ernst. Ich habe euch immer beneidet. Ihr könnt freitags Maultaschen essen, denn euer Gott ist ein bisschen bescheuert und merkt nicht, wie viel Fleisch ihr Schelme unters Grün gemischt habt. Aber unserer, Lisa, unserer sieht alles, die gekreuzten Finger hinterm Rücken beim Schwur, jeden geistigen Seitensprung.«
    »Ist ja gut!«, sagte ich. »Es ist vorbei, Richard.«
    »Für uns ist es nie vorbei! Ihr habt die Beichte, wir schämen uns bis zum Tod. Schuld und Buße, das ewige Tretrad. Du kommst nie an.«
    Wir bogen in die Gasse, wo mit dem Stern zur Fußgängerzone Richards Wagen parkte. Von wegen Samstagnacht. Hier war wirklich nichts los außer Kopfsteinpflaster.
    »Weißt du übrigens, worüber Vicky seine Abschlussarbeit schreibt?«, bot ich Richard einen Ausweg aus seinem privaten Göpelwerk an.
    »Über die Archerinder.«
    »Und eigentlich über die Toleranz einer Gesellschaft, in diesem Fall einer Rinderherde, den Individuen gegenüber, die anders sind. Stiere, die die Rolle von Kühen spielen zum Beispiel.«
    Richard streckte die Hand aus und ließ die Zentralverriegelung springen und die Blinker blinken.
    »Mit großer Leidenschaft«, fuhr ich fort, »hat Vicky mir erklärt, dass es in Ameisengesellschaften Einzelne gibt, die ihre Artgenossen totbeißen. Doch der Ameisenstaat lässt sie am Leben, weil ihre genetische Abartigkeit eines Tages notwendig sein könnte.«
    »Und weil der Ameisenstaat, um die Abartigen zu töten, wiederum Abartige brauchte, die ihre Artgenossen töten«, bemerkte Richard leichthin.
    Ich schluckte. Abgeschossen!
    Cipión, der auf dem Beifahrersitz geschlafen hatte, wedelte sich das Hinterteil ab. Während ich ihn vom Sitz in den Fußraum schubste, damit ich mich setzen konnte, stieg Richard auf der anderen Seite ein.
    »Wusstest du«, sagte ich, als er den Schlüssel ins Zündschloss steckte, eine

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