Allmachtsdackel
erschreckt!«
Maxi und Jacky kicherten. Samanta begrüßte Cipión überfallartig. Das Gewehr befand sich in Jackys Hand. »Kann dein Zippo apportieren?«, fragte sie.
»Was habt ihr vor?«
»Komm mit, dann weißt du’s«, sagte Jacky.
»Aber ihr seid beide noch nicht achtzehn!«
Die beiden Mädchen schwiegen. In dieser Sekunde entschied sich, ob ich leben oder sterben würde. Nur dass ich beim besten Willen nicht wusste, wie ich mich entscheiden musste. Umkehren oder mitgehen? Sich nie vom Gegner entfernen!, spülte mir das Lehrbuch des Judokämpfers ins Bewusstsein. Stell dich neben den mit dem Gewehr, dann kann er nicht auf dich zielen.
»Darf ich dann auch mal?«
»Mal sehen«, beschied Jacky.
Wir wanderten durchs finstere Tal. Die Hänge und Pappeln beschnitten den Sternenhimmel, der Mond war längst untergegangen. Es war so dunkel, dass ich Samanta nicht sah, sondern nur hecheln hörte. Wir stapften über ein Stoppelfeld, über Gras, immer aufwärts. Auf einmal hockte Jacky sich nieder, holte eine Taschenlampe aus ihrem Rucksack, die sie Maxi gab, legte leise eine Blechdose mit Diabolos auf die Erde und füllte das Trommelmagazin des Luftgewehrs mit den Bleigeschos sen.
Dann laueren wir nebeneinander auf der warmen Erde. Maxi hielt Samanta fest, ich Cipión. Wir atmeten kaum und löcherten mit unseren Blicken die Finsternis. Sobald irgendetwas raschelte oder hoppelte, knipste Maxi die Taschenlampe an. Ein Hase saß geblendet, Jacky drückte ab und wir ließen die Hunde laufen. Wenn der Hase getroffen war, hätten sie ihn kriegen müssen, behauptete Jacky. Die Hunde kamen ohne Hasen wieder, und wir wechselten den Standort. Mit Holzstöcken hielt Maxi die Elektrostricke des Weidezauns auseinander, damit wir durchsteigen konnten. Samanta kroch unter dem untersten durch und bekam doch eine gewischt.
Cipión hatte das Prinzip der Jagd verstanden, als wir uns nach längerem Marsch wieder hinlegten, und stemmte sich erwartungsvoll ins Halsband, in das ich meine Finger gehakt hatte. Ich sah und hörte nichts, aber plötzlich zuckte Cipión. Maxi ließ die Lampe aufflammen. Der Hase hockte kaum fünf Meter von uns entfernt, sein Auge glühte. Jacky drückte ab, das Gewehr klackte, der Hase machte einen Schleudersatz und fiel auf die Seite. Cipión sauste los und hieb seine Zähne in den Hals des Hasen, der keuchend stillhielt.
Auch Samanta startete durch, aber knurrend. Jacky schrie: »Aus!«
Cipión ließ den Hasen fahren, kniff den Schwanz ein und rannte los. Die Dunkelheit verschluckte ihn. Der Hase zappelte sich auf die Beine und torkelte in die Nacht. Auch ich sprang auf, ursprünglich um Cipión zu retten, der meine Hilfe schon nicht mehr brauchte, sah, wie Samanta den Hasen packte und wütend schüttelte, und stolperte. Während ich der Länge nach hinschlug, hörte ich das Klack des Abzugs. Etwas Glühendes fuhr mir überm Knie in den Schenkel.
Ich spürte Grashalme in meinem Nasenloch und sommertrockene Erde unter meinen Rippen und rollte mich zur Seite. Der Schein der Taschenlampe flackerte über den Boden und ließ die Schatten von Kuhfladen und Grasbüscheln springen. Wenn die nächste Kugel mich im Unterleib traf, war ich verloren. Ich suchte Boden unter den Füßen und sammelte mich zum Sprung.
»Lisa!«, tropfte Maxis Stimme verzagt durch die Nacht. »Bist du okay?«
Ich sprang auf. Das Lampenlicht schlug mir ins Gesicht. Ich hieb es beiseite. Jemand japste. Der Lichtkreis streifte das Gewehr am Boden. Dann hatte ich Jacky erwischt.
»Es war keine Absicht!«, kreischte sie.
Ich fegte ihr das Bein weg, warf sie auf den Bauch und mich obendrauf, rammte ihr meinen Unterarm ins Genick und drehte ihr den Arm auf den Rücken. Sie stellte sie tot wie ein Hase im Fang eines Hundes.
»Du hast gestern eine Kuh auf mich gehetzt. Du hast mir den Skorpion in den Schuh gesetzt! Das ist jetzt das dritte Mal. Jetzt bist du dran. Warum willst du mich loshaben? Rede, oder ich breche dir den Arm.«
Damit sie reden konnte, musste ich den Druck meines Unterarms in ihrem Nacken mildern. Ich spürte, wie sie Atem holte. Dann schrie sie gellend: »Samanta!«
Die Neufundländerhündin kam mit der Wucht einer Kanonenkugel und verbiss sich unter meiner Achsel ins Jackett. Ich erstarrte, damit sie nicht nachfasste und womöglich mein Fleisch erwischte, und sah zu, wie der Taschenlampenschein das Gewehr fand und Maxis schmale Hand mit den langen kräftigen Fingern den Schaft packte. Dann blendete sie
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