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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mich.
    »Samanta, aus!«, sagte Maxi. »Aus! Hierher!«
    Die Hündin ließ mit zuckenden Kiefern los und trollte sich hinter das Blendlicht der Taschenlampe. Ich vermutete, dass Maxi das Gewehr auf mich gerichtet hatte. Sie vermutete wahrscheinlich, dass ich es sah, denn sagen tat sie nichts.
    Langsam ließ ich Jacky los. Beim Aufstehen spürte ich zum ersten Mal, dass mit meinem Bein etwas nicht in Ordnung war.
    Jacky fluchte. Maxi konnte nicht verhindern, dass mit ihren Augen auch das Licht auf ihre Schwester schwenkte.
    »Du bist echt voll behindert!«, schrillte Jacky mich an. Sie hockte auf den Knien und rieb sich die Schulter. »Was soll der Scheiß?«
    Das Licht sprang auf mich zurück, glitt an mir herab und verhielt auf meinem linken Knie. Auch ich hatte Gelegenheit zu sehen, dass mein Hosenbein im Blut klebte.
    »Es war keine Absicht!«, sagte Jacky. »Irgendwas hat mich geschuckt. Wahrscheinlich du selber mit deinem fetten Arsch, als du plötzlich aufgestanden bist!«
    Und dann geschah es. Cipión griff an.
    Vermutlich hielt er sich für einen Tiger. Er kam lautlos, ich sah nur Ohren wehen. Woher er wusste, wer von den beiden momentan die Gefährlichere war, weiß ich nicht, aber er verbiss sich in Maxis Jeans und schüttelte den Schlag so wild, dass die Taschenlampe in Maxis Hand wilde Muster auf den Weidenboden zeichnete. Sie lachte dazu.
    Es gab nur wenige Hunde, die Gelächter mit Humor nahmen. Ein wüstes Knurren grollte in Samantas Kehle und überschlug sich. Sie warf sich auf Cipión, der erstmals, seit ich ihn kannte, einen Schrei ausstieß. Maxi fiel um, umgeworfen von Samantas uneleganter Wucht. Ich hörte Cipión losrennen. Samanta hinterher. Sehen konnte ich nichts, denn das Licht der Taschenlampe hatte meine Augen für die Nacht verdorben. Im Streulicht der Lampe sah ich nur das Gewehr auf dem Boden schimmern und trat auf den Lauf. »Au!«, schrie Maxi, die noch die Hand darunter hatte. Ich bückte mich und hob es auf.
    »Wenn Samanta Cipión was tut, erschieße ich sie eigenhändig«, sagte ich.
    Wir lauschten.
    »Samanta! Hier!«, schrie Jacky mit ihrem tragenden Organ.
    »Sie kommt«, hörte ich Maxi sagen. Der Schein der Taschenlampe fing zwei rote Augen ein. Samanta trabte mit hängender Zunge herbei.
    Ich zielte.
    »Nein!«, rief Maxi.
    »Du kannst sie damit sowieso nicht töten«, bemerkte Jacky, wenn auch mit flackernder Stimme. »Deinem Zippo ist bestimmt nichts passiert. Er hat sich nur verkrochen und traut sich nicht hierher.«
    »Dann verschwindet!«
    »Aber …«, machte Maxi.
    Ich schwenkte das Gewehr ins Blendlicht.
    »Schon gut! Ganz ruhig!«, sagte Jacky. »Komm, Samanta! Los, Maxi! Wir …« Ich hörte, wie sie sich beinahe höflich an mich wandte. »Wir nehmen nur noch den Hasen mit. Okay?«
    Mir fehlte es in diesem Moment an Souveränität, »Okay« zu antworten. Ich fand, sie hatten die Angst verdient, ob ich verrückt genug war, Blei in eines der hübschen Hinterteile zu senken, während sie, ihrem Lichtkegel folgend, den toten Feldhasen auflasen und von dannen zogen.
    Ich hätte ihnen auch die Taschenlampe abnehmen müssen!
    »Cipión!«
    Meine Stimme hörte sich kläglich an. Wohin war er gelaufen in seiner Todesangst? Er musste zu mir kommen, denn ich würde ihn nicht finden können. Wenn er aber verletzt irgendwo lag? Hätte er nur Laut gegeben! Aber er sagte ja nie was, er bellte nicht, er jaulte nicht. Das war nur in einem Mietshaus mit Tierhaltungsverbot wie dem meinen von Vorteil. Ich hätte ihn längst mal zur Hundepsychologin in eine Traumabehandlung bringen müssen. Sally kannte da eine. Vermutlich gab es auch Hundelogopädinnen für solche, die beim Bellen lispelten oder unschöne Nebentöne von sich gaben.
    »Cipión! Bitte, tu mir das nicht an!«
    Die Schmerzen setzten schlagartig ein. Einen Streifschuss konnte man nur so lange als Kratzer abtun, wie man unter Adrenalin stand. Danach brannte er wie Hölle! Und er lähmte das nächstgelegene Gelenk, mein Knie.
    Wenigstens hatte ich das Gewehr, um mich abzustützen. Ich wankte, jaulte und rief. Meine Welt hatte einen Radius von Hand vor den Augen nicht sehen. Der Blick zum Himmel offenbarte wenigstens Sterne. Blind war ich also nicht. Der Große Bär war zwar halb hinter den Hügeln verborgen, verriet mir aber doch noch, wo Norden war. Auch das war beruhigend.
    »Cipión!«
    Ich irrte in eine Richtung, die ich für Westen hielt. Doch etwas zwang mich, nach wenigen Schritten innezuhalten. Es war der Geruch nach

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