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Allmachtsdackel

Allmachtsdackel

Titel: Allmachtsdackel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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vom Zeitentalhof her Scheinwerfer auf mich zu. Ich stellte mich so an den Straßenrand, dass sie weder das Gewehr noch mein blutiges Bein erfassen konnten. Aber die Lichter gehörten dem weißen Sprinter. Er hielt. Barbara sprang heraus.
     
    Wir schlichen zur Vordertür ins Haus und die Treppe hinauf. Leise, denn Jürgen saß in der Küche. Fast hätten wir gekichert wie Partyheimkehrerinnen. Barbara führte mich in ein Badezimmer im ersten Stock. »Ich muss mich für meine Kinder entschuldigen«, sagte sie, während ich mir die Hose von den Beinen und aus der Wunde zog. »Ich hätte ihnen nie erlauben dürfen, mit Vickys Luftgewehr herumzuziehen.«
    Die Wunde sah beeindruckend fürchterlich aus. Die Kugel war schräg von unten knapp über meinem Knie ins Fleisch eingedrungen, hatte einen kurzen Tunnel geschlagen und war dann wieder herausgekommen. »Ich kann dich auch ins Krankenhaus bringen, wenn du willst.« Aber die Ärzte hätten Fragen gestellt, und die hätten Barbara ihre Waffenbesitzkarte gekostet.
    »Wenn wir Cipión gefunden haben«, entschied ich.
    Mit routinierten Mutterhänden säuberte, desinfizierte und verband sie meine Wunde. Jedes Wort war überflüssig. Unnötig zu sagen, dass Jürgen von solchen Missgeschicken nichts wissen musste, weder von Gewehren noch von Skorpionen, auch nicht, dass ich künftig die Bedingungen stellte. Auch das erübrigte sich zu sagen. Barbara würde sich bedingungslos ergeben müssen, wenn wir heute Nacht die Schwelle überschritten. Für mich gab es nichts mehr zu entscheiden. Mir war ja schon alles abhandengekommen: Richard, Cipión und mein früheres Leben.
     

26
     
    Jürgen Binder hob vom Brettchen auf dem Küchentisch mit beiden Händen ein Brot, das dick mit Butter bestrichen und mit Käse und einem halben Ei belegt war, und hieb seine auseinanderstehenden Vorderzähne hinein. »Wollten Sie nicht heute Abend zurück nach Stuttgart fahren, Frau Nerz?« Er kaute, dass die Kiefer knackten. Die andere Hälfte des Eis schaukelte in der Schale neben dem Brettchen. »Was ist eigentlich los heute? Keine Disko?« Kauend blickte er seine Töchter an.
    Alle Binderkinder saßen am Küchentisch, keines gab ihm Antwort. Jacky drehte sich eine Zigarette, Maxi spielte mit dem Tischstaubsauger, Vicky betastete seinen zur roten Beule angeschwollenen Insektenstich auf dem Unterarm. Sogar Henry saß auf der Bank mit dem Kipf auf dem Schoß, das trotz der späten Stunde oder gerade deshalb äußerst munter das Kuhhalfter ablutschte und immer wieder nach dem Tischstaubsauger langte.
    »Übrigens, der Tote aus der Eyach«, sagte Jürgen mit der Zunge zwischen Brotkrümeln und Käsestücken, »ist höchstwahrscheinlich Jannik Filser. Das hat mir Hans vom ZAK vorhin erzählt. Er hat’s direkt vom Staatsanwalt. Der hat ihn aber gebeten, noch keine Namen zu nennen, wenn er was schreibt. Man will erst den Gentest abwarten, und das kann ein paar Tage dauern. Der alte Josef Filser soll einen Nervenzusammenbruch erlitten haben.«
    Inzwischen lag der Zollern-Alb Kurier von heute auf dem Küchentisch. Offenbar holte sich Jürgen bei Freund Hans immer ein Restexemplar zusammen mit den Neuigkeiten von morgen ab.
    »Der Josef ist doch geschlagen«, bemerkte Barbara, während sie aus dem Küchenschrank zwei starke Taschenlampen nahm. »Erst der kleine Bruder, dann der Sohn. Wer denkt sich so was aus? Und beide bis zur Unkenntlichkeit zerstört.«
    Die Küche wankte auf einmal vor meinen Augen, Gläser, Milchtüten, verklebtes Besteck, Bierflaschen tanzten Walzer auf dem Tisch. Ich musste mich rasch auf die Bank neben der Tür setzen, wo der ZAK Zittels Buch über das Gleichgewicht der Welt halb verdeckte.
    »Geht ihr jetzt gleich Zippo suchen?«, erkundigte sich Jacky. Sie hatte mir mit Jeans aus ihren Beständen ausgeholfen, und es hatte die Grundfesten ihrer Welt erschüttert, dass sie mir passten, wenn auch nur knapp. »Wir gehen mit Samanta auch noch mal los. Vielleicht nimmt sie die Spur auf.«
    »Samanta ist kein Spürhund«, sagte Barbara. »Die brauchen jahrelanges Training.«
    »Aber versuchen können wir es!«, keifte Jacky.
    Ich spürte Wasser in meine Augen steigen. Sie saßen hier alle doch nur meinetwegen, besorgt und hilfsbereit. Eigentlich war es ein Familienrat. Nur musste er sich kunstvoll um Jürgen herumranken, der mit knackenden Kiefern sein Brot mit Käse und Ei vertilgte.
    »Lasst mal«, sagte ich. »Samanta vertreibt ihn womöglich nur endgültig.«
    »Der kommt schon

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