Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
Trockner. Als er die Klappe des Geräts öffnete, fiel ihm warme, wohlriechende Wäsche entgegen. Er riss alles heraus und schaute hinein.
Unten in der Metalltrommel fand er seinen Ehering.
9
Tim saß inmitten des großen Wäschehaufens auf dem Kachelboden. Betrachtete den goldgelben Ring. Die zarte Gravur auf der Innenseite: »Liz & Tim 13. 9. 1980«
Sie hatten im kleinen Kreis geheiratet. An einem Samstag. Indian Summer. Liz’ Eltern, seine Schwester Agnes, ihr Bruder John und ungefähr zwanzig Freunde. Eine schlichte Trauung im Garten des Santa Monica Hotels.
Liz in zartem Chiffonkleid mit altmodischer Spitze. Sie trug den schulterlangen Schleier seiner Mutter. Das dunkle Haar hochgesteckt. Sonne fing sich in den Diamanten ihrer zierlichen Ohrstecker.
Er hatte einen schwarzen Anzug getragen mit Krawatte und Einstecktuch. Als ihr Vater Liz zum Altar führte, hatte er Tränen aufsteigen gespürt. Hatte sich gewünscht, seine Mutter hätte das alles miterleben können. Liz war über das Gras geglitten, weiß, ihr Blick auf das Bouquet gesenkt. Ein kleiner Strauß Lilien.
Vorsichtig hatte er ihre andere Hand genommen. Klein und schmal hatte Liz neben ihm gestanden. Wie eine zerbrechliche Porzellanfigur. Unsicheres Lächeln. Im Mittelpunkt zu stehen war ihr immer unangenehm gewesen.
Er hatte ihre Hand sanft gedrückt. »Hey.«
»Hey.« Sie hatte sich entspannt.
Er war glücklich gewesen. Stolz. Stolz auf die schöne Frau an seiner Seite. Die Frau, die alle mochten. Nach der sich jeder erkundigte. Die Wärme und Herzlichkeit ausstrahlte. Er würde sie immer lieben. Immer dankbar sein, dass es sie gab. Das hatte er damals gedacht.
In der Aufregung hatte er dem Pastor kaum zugehört und wie im Nebel den Ring an ihren schlanken Finger gesteckt.
»… in guten und in schlechten Zeiten. Bis dass der Tod euch scheidet.«
Später hatten sie getanzt. Langsam wiegend hatte er seine Frau gehalten. Seine Frau.
Er ließ sich zurücksinken in den Wäscheberg. Shit. Er streifte den Ehering über. Betrachtete seine Hand. Bemerkte erste Falten, müde Haut auf dem Handrücken.
Sie waren einmal glücklich gewesen. Wann hatte das aufgehört? Die ersten Jahre waren gut gewesen. Sicher. Als sie das Haus gekauft hatten, hatte er sie über die Schwelle getragen. Ihr eigenes Haus.
Sie hatten gemeinsam die Wände gestrichen, gesungen und herumgealbert. Liz malte Herzchen an die Wand, sie frühstückten an dem alten Holztisch auf der Terrasse. Die Bäume waren kleiner. Die Büsche weniger dicht. An den Wochenenden pflanzte er die Zitronenbäume, legte einen Kräutergarten an. Später dann die Akelei und Lupinen. Sie hatte Limonade gebracht und im Bikini auf der Terrasse gelegen.
Nach der Schwangerschaft war das Leben langsamer geworden. Häuslicher. Sie waren viel spazieren gegangen. Sie verbrachten ihre Abende auf der Couch, Liz’ Kopf in seinem Schoß.
Er hatte sich erwachsen gefühlt. Vielleicht war er zum ersten Mal glücklich gewesen, ganz bei sich.
Nach der Beförderung hatte er mehr gearbeitet, sie sahen sich seltener.
Dann die Fehlgeburt. Liz hatte still gelitten, statt ihr zu helfen, war er ins Büro geflüchtet. Hatte sie mit Derek allein gelassen. Ihm hatte im Schmerz nichts zur Verfügung gestanden. Nichts, das ihren Schmerz hätte lindern können. Er kannte sich mit so was nicht aus.
Er wusste nur, dass Zeit alle Wunden heilte.
Irgendwann hatte sie sich gefangen. Und dennoch blieb etwas. Ein dunkler Fleck. Die Verbindung war gestört. Es wurde schwieriger, das war ihm damals schon klar, obwohl sie wenig sprachen. Es war immer wenig Zeit da gewesen, verdammt. Morgens Kaffee im Stehen. Abends hatte er sie oft schlafend auf der Couch gefunden.
Derek war Liz’ einziger Halt gewesen. Die Beziehung war immer enger geworden.
Ihn hatte es damals nicht gestört, dass ihr Leben nur an den Wochenenden stattfand. Ihre Küsse flüchtiger wurden, dass sie einander weniger zuhörten.
Als Derek aufs College ging, war Liz dann allein. Probierte sich aus.
Er bekam nicht viel davon mit. Arbeitete, spielte Golf. Gleichgültigkeit hatte unbemerkt Besitz von ihm ergriffen.
Liz war angespannter. Verschlossener. Und er hatte mit seinen Wutausbrüchen zu kämpfen. Verdammt, diese Wutausbrüche. Das hatte alles mit der Scheiße im Büro begonnen. Der Ungerechtigkeit. Frank. Er hasste es, wenn Dinge über seinen Kopf hinweg entschieden wurden.
Dann der Therapeut, Medikamente. Fürs Erste hatte sich damit die Wut gelegt.
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