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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Potente
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Vier Augenpaare. Stummes, ungeniertes Mustern.
    Daisy brachte eine große Schüssel mit Kartoffelpürree herein.
    »Vorsicht, heiß!«
    Obenauf schmolz gelber Käse.
    Tim nickte Tanten und Onkeln zu. »Guten Abend. Wir haben uns lange nicht gesehen. Ich bin Pauls Sohn, Tim. Das ist mein Sohn Derek.«
    Die vier standen auf. Umarmten ihn. Man klopfte ihnen auf die Schulter. Auch Derek ließ sich umarmen, bestaunen und prostete sich schon bald mit den älteren Herren zu.
    Niemand wünschte herzliches Beileid.
    Am Tisch saß Daisys Ehemann Jake, der ältere Bruder des Vaters. Introvertierter als seine Frau. Er war zart gebaut, fast zerbrechlich.
    Meist hörte er mit schräg gelegtem Kopf zu und lächelte still in sich hinein.
    Jim, der jüngere Bruder, war Witwer, robust und laut. Er war auf einem Auge blind. Mit seinem geröteten Gesicht sah er dem Alten am ähnlichsten. Wie sein verstorbener Bruder trank er gerne und wurde noch lauter und mürrischer.
    Mütterlicherseits waren Donald, Tims Onkel, und dessen Frau Esther gekommen. Sie wohnten in Little Rock und wurden von den anderen gerne als arrogante Städter verspottet. Dabei waren Donald und Esther ausgesprochen liebenswert.
    Esther war eleganter als der Rest der Familie und Donald auf eine bescheidene Weise belesen. Durch die Gläser seiner riesigen Hornbrille wirkten seine Augen klein, die Ohren hingegen waren groß und standen ab.
    Tim sah sofort die Ähnlichkeit zu seiner Mutter. Kinn und Nase waren fast identisch. Vielleicht fühlte er sich Donald deshalb gleich so nah.
    Esther färbte als Einzige ihr Haar und hatte es im Nacken zu einem eleganten Knoten gebunden. Freundlich nickte sie Tim zu. »Wie geht es deiner Frau?«
    Der Tisch füllte sich bald mit Schüsseln und heißen Platten. Frittiertes Hühnchen, Maisbrot, braune Soße, goldene Butter, grüne Bohnen, frittierte Okra und Kartoffelpüree.
    Diese Gerichte hatte Tim seit seiner Kindheit nicht gegessen. Ihm lief das Wasser im Mund zusammen.
    Er beobachtete, wie Agnes Schüsseln hereintrug und Gläser zur Seite schob, um Platz zu machen. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie es vermied, ihn anzusehen.
    Dann setzte man sich, rückte zusammen. Reichte Servietten und Schüsseln herum.
    Neun Personen. Verschiedene Generationen. Fremde eigentlich. Verbunden durch den Tod eines Mannes, den bisher noch niemand erwähnt hatte.
    Familie. Dies war seine Familie.
    Tim sah in die Runde, suchte in den Gesichtern nach Trauer und Schmerz. Sie alle hatten den Tod eines Bruders oder Vaters gemeinsam. Immerhin. Sosehr er auch suchte, er fand nur gelöste Heiterkeit.
    Es wurde mit Appetit gegessen und reichlich getrunken. Vor allem Jim trank schnell. Bald standen drei leere Bierflaschen neben seinem Teller. Er rülpste laut, Daisy schüttelte missbilligend den Kopf.
    Derek zwischen ihnen allen. Heiter. Entspannt. Er schien seinen Blick zu spüren. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Augen.
    Der Sohn hob die Brauen. Fragte tonlos: Alles okay?
    Wie gut, dass er mitgekommen war.
    Das Essen war köstlich. Hausgemacht. Wie früher.
    Die letzten Monate hatte er nur Sandwiches und Tiefkühlkost gegessen. Der Geschmack von zerlassener Butter tat gut.
    Tim aß mit großem Appetit. Dann klopfte Agnes an ihr Glas.
    »Ihr Lieben. Nun, da Vater tot ist, gibt es ein paar Dinge zu besprechen. Es war sein Wille, eingeäschert zu werden. Wir haben bereits mit dem Krematorium gesprochen. Das kann in zwei Tagen passieren. Es wird dort eine kleine Zeremonie geben.«
    Sie schluckte. Sam strich ihr sanft über den Rücken. Die beiden sind sich wirklich nah, dachte Tim, und glücklich. Er schämte sich, dass er so etwas bei seiner Schwester nicht mehr für möglich gehalten hatte.
    Agnes fuhr fort.
    »Dads Haus versuchen wir zu verkaufen, seit er vor zwei Jahren ins Altersheim kam. Aber ihr alle wisst, dass das nicht einfach ist. Es gab nur einen Interessenten. Und der hat dann in Harrison gekauft.
    Wenn ihr einverstanden seid, würden Sam und ich das Haus im nächsten Jahr renovieren und selbst dort einziehen.«
    Sie warf Sam einen Blick zu, den er lächelnd erwiderte.
    »Hier ist zu wenig Platz für uns, und vielleicht können wir es ja in ein paar Jahren noch mal versuchen mit dem Verkauf.«
    Allgemeine Zustimmung erhob sich.
    »Ansonsten hat Dad niemandem etwas vermacht. Er hatte Geld zur Seite gelegt, um die Einäscherung zu bezahlen, und das war’s.«
    Stille.
    Agnes hob ihr Weinglas. »Auf Dad!«
    Alle stießen an. »Auf

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