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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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bemerkt, dass etwas anders war. Vielleicht der Geruch?
    Ein zweiter Korridor kreuzte den ersten. Carlos bog ohne zu überlegen links ab. Sie stießen auf eine grob zusammengenagelte Bretterwand, die den Gang versperrte. Carlos zog sie an einer Seite etwas zurück, bis sich ein Durchgang für sie ergab.
    Es roch seltsam. In den Geruch von Feuchtigkeit und Zement mischte sich noch etwas anderes. Als näherten sie sich einer menschlichen Behausung. Früchte? Blumen? Kanalisation? Rauch? Essen?
    Sie erreichten eine provisorische Tür. Sie hatte einen Riegel, an dem ein Vorhängeschloss hing.
    [172]  Das Schloss war offen.
    Carlos zog den Revolver aus dem Hosenbund und entsicherte ihn so selbstverständlich, als handle es sich um ein Gartengerät.
    Er sah sich nach Allmen um, nickte, als wollte er bestätigen, dass auch er für den Sturm bereit sei, riss die Tür auf und war drin.
    Allmen folgte vorsichtig.
    Matratze, Schlafsack, Wolldecke, alles zerwühlt. Eine Einkaufstüte mit leeren Fertigpackungen, leere und volle Mineralwasserflaschen. In einer Ecke ein umgekippter Eimer, der als Toilette gedient hatte; ein paar Rollen WC -Papier, Elektrodraht.
    Carlos bückte sich und hob etwas auf. »María«, sagte er und zeigte seinen Fund. Es war ein stoffüberzogener Knopf. Der Stoff war gemustert wie eine von Marías Blusen.
    11
    Er musste dem Detektivwachtmeister Gobler zugutehalten, dass er nicht fragte: »Warum sind Sie nicht früher gekommen?«
    Allmen saß in einem kleinen Büro in der Hauptwache. Auf einem brusthohen Aktenschrank standen ein paar Auszeichnungen von internationalen [173]  Polizeiwettkämpfen, und darüber hingen Fotos, die Gobler im Sportdress zeigten. Der Mann, der am Schreibtisch ihm gegenübersaß, war inzwischen älter geworden und nicht mehr in Wettkampfform.
    Etwas abseits, auf einem altmodischen Drehstuhl, saß eine sehr blonde Frau. Sie war ihm als Gefreite Wertlinger vorgestellt worden und mochte Ende zwanzig sein. Sie hatte seit der Begrüßung nicht gesprochen und die irritierende Angewohnheit, den Drehstuhl, auf dem sie saß, hin und her zu bewegen.
    Allmen wusste nun wieder, weshalb er sich bisher so leicht von Carlos davon hatte abbringen lassen, die Polizei hinzuzuziehen: aus Gründen des Stils. Ein privater Fahnder, vor allem einer auf dem Gebiet der Kunst, wandte sich nicht an die Behörden. Erstens, weil es das Eingeständnis der eigenen Unterlegenheit war, die ultimative Kapitulation. Und zweitens, weil es ihn mit einem Mal in eine Welt aus Biederkeit, Obrigkeitsdenken und lustig bemalten Kaffeetassen versetzte.
    Herr Arnold hatte sie direkt von der Überbauung Sonnpark zur Hauptwache gefahren. Dort war Allmen ausgestiegen, und Herr Arnold hatte Carlos nach Hause gefahren, damit dieser die Spuren seiner Anwesenheit im Gärtnerhaus beseitigen konnte. Solange es sich vermeiden ließ, sollte er nicht in [174]  Erscheinung treten. Aus migrationstechnischen Gründen, wie Allmen es nannte.
    Auf der Hauptwache war er zum Schalter gegangen und hatte gesagt: »Ich möchte eine Entführung anzeigen.« Sofort war professionelle Hektik aufgekommen, und bald wurde er in dieses Büro geführt. Auf einem Aluminiumschild an der Tür stand »Interventionseinheit Puma«.
    Allmen erzählte alles, was er für unumgänglich hielt. Das Verschwinden der Dahlien und Dalia Gutbauers Wiederbeschaffungsauftrag an Allmen International Inquiries. Die Rolle, die Tino Rebler beim Verschwinden und die, die Claude Tenz bei der Wiederbeschaffung gespielt hatte. Er erwähnte seinen Verdacht, dass Reblers Gorillas sowohl mit Tenz’ Tod als auch mit der Entführung von María Moreno zu tun hatten. Über die Beträge, die im Spiel waren, verlor er kein Wort. Und auch den Grund für Reblers Interesse an Fantin-Latours Dahlien ließ Allmen unerwähnt. Vielleicht hatte er sich doch ein bisschen in die römische Dalia verguckt.
    Dalia Gutbauer hingegen schützte er nicht. Er erzählte, auf welche Art sie das Bild beschädigt hatte und dass daran der erste Übergabeversuch gescheitert sei. Diesen beschrieb er ausführlich, immer darauf bedacht, dass ihm nie ein »wir« [175]  anstatt einem »ich« herausrutschte. Auch Herrn Arnold ließ er vorläufig aus dem Spiel. Er hatte vor, später mit ihm ihre Versionen abzustimmen, bevor die Polizei ihn befragte.
    »Das kommt davon, wenn man glaubt, man kann auf die Polizei verzichten«, sagte die blonde Detektivin schnippisch. Sie war Allmen schon auf die Nerven gegangen, bevor sie

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