Allmen und die verschwundene María
provisorisch verschlossen worden. Sein Deckel besaß am Rand Blechzungen, die um den nach außen gefalzten Rand des Kübels gebogen wurden. Ein paar dieser Zungen standen ab.
María versuchte, die Füße zum Kübelrand zu heben, und tatsächlich: Sie hatte genug Spielraum, um ihn zu erreichen. Sie begann, das Seil, das sie festhielt, an einer der scharfen Zungen zu scheuern.
In immer kürzeren Abständen musste sie ihre Beine ausruhen. Sie hörte das Reiben und Wetzen, aber sie konnte nicht sehen, ob es Erfolg hatte. Ab und zu zog sie die Beine mit einem Ruck an, in der Hoffnung, dass die Stelle so dünn geworden war, dass sie riss. Jedes Mal musste sie die Zähne zusammenbeißen, um nicht aufzuschreien, wenn das Seil ihr in die Knöchel schnitt. Ein paarmal wollte sie aufgeben, aber der Gedanke an Due und seine Drohung, allein zurückzukommen, verlieh ihr jedes Mal neue Kräfte.
Plötzlich riss das Seil bei einer dieser Anspannungen mit einem trockenen Geräusch. Ihre Füße waren zwar noch immer zusammengebunden, aber [184] sie konnte jetzt die Beine anziehen und so weit zurückrutschen, dass es ihr gelang, sich aufzusetzen.
Jetzt konnte sie sich auch umsehen und feststellen, was sich hinter ihr befand. Ein Eimer mit Malutensilien – Pinsel, Lammfellroller, Abstreifgitter. Ein paar Farbkübel und einige Säcke und Schachteln. Nichts, was für ihre Zwecke geeignet gewesen wäre.
María musste sich wieder hinlegen und so weit hinunterrutschen, wie es das obere Seil erlaubte, mit dem ihre zusammengebundenen Hände hinter ihr an einer Wandverankerung festgemacht waren.
Der Kübel mit den Metallzungen besaß einen Tragebügel. Es gelang ihr, die Füße darunterzuschieben. Wenn sie jetzt die Beine langsam anwinkelte, konnte sie den schweren Eimer zu sich heranziehen.
Der Drahtbügel schnitt in die Riste ein, aber es gelang ihr, den Farbkübel neben sich zu ziehen und ihn von dort aus hinter sich zu bugsieren.
Sie begann mit der mühseligen Arbeit, das Seil, das ihre Hände zusammenhielt, an der Blechzunge zu wetzen. Immer wieder rutschte sie ab und zuckte zusammen vor Schmerz, wenn das scharfe Blech ins Fleisch drang. Sie spürte das Blut über ihre Hand laufen.
Endlich fühlte sie, wie das Seil am Handgelenk [185] sich erst ein wenig, dann immer mehr lockerte und schließlich ganz frei war.
Danach war es kein Problem mehr, sich von den Fesseln zu befreien.
In der ganzen Zeit war es im Kastenwagen nicht dunkler geworden. Das Licht musste von einer Straßenbeleuchtung vor dem Fenster stammen.
Sie riss ein Stück von der sauberen Stelle eines Abdecktuches ab und verband sich damit das blutende Handgelenk. Dann suchte sie nach einer Möglichkeit, die Schiebetür zu öffnen.
Es gab keine. Dass sie jemand von innen öffnen wollte, war nicht vorgesehen. Und das Fenster zur Fahrerkabine war zu klein für einen erwachsenen Menschen.
Zum ersten Mal seit ihrer erneuten Gefangennahme weinte María. Und je mehr sie weinte, desto hoffnungsloser kam ihr ihre Lage vor.
Erst als sie merkte, dass sie im Begriff war, sich in den Schlaf zu weinen, nahm sie sich zusammen. Jetzt, wo sie so weit gekommen war, konnte sie doch nicht einfach aufgeben.
Sie sah sich im Wagen um und fand mehrere Dosen Lackspray. Sie entschied sich für Rosarot.
[186] 14
Für Polizisten hatte Allmen noch nie viel übriggehabt. Das mochte mit der Art und Weise zu tun haben, wie er nach dem Verlust seines ererbten Vermögens manchmal seinen Lebensunterhalt zu bestreiten gezwungen war. Aber es lag auch an der aggressiven Aufgeräumtheit und der antrainierten Freundlichkeit, mit der viele von ihnen auftraten. An dieser penetranten Bürgernähe.
Detektivwachtmeister Gobler war eine wohltuende Ausnahme. Er war etwa in Allmens Alter und besaß die sanfte Resignation von einem, der mehr erfahren hatte, als er wollte, und mehr wusste, als er sagte.
Er war mit drei Untergebenen zu Allmen ins Gärtnerhaus gekommen, jeder von ihnen einzeln in bestimmten Abständen für den Fall, dass die Villa Schwarzacker beobachtet wurde.
Er machte keine Bemerkung über die Diskrepanz zwischen Allmens Auftreten und seinen Lebensumständen und auch nicht über den Firmensitz von Allmen International Inquiries.
»Wenn sie nicht anrufen«, hatte er gesagt, »dann haben sie sich das Bild schon besorgt. Und wenn sie anrufen, dann müssen wir uns auch den Restaurator noch einmal vornehmen.«
[187] Seine Mitarbeiter hatten viel Elektronik installiert, denn es ging
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