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Allmen und die verschwundene María

Allmen und die verschwundene María

Titel: Allmen und die verschwundene María Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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darum, den Anruf der Entführer aufzuzeichnen und wenn möglich zu orten. Sie lungerten in dem kleinen Wohn-Esszimmer herum und unterhielten sich halblaut. Ab und zu ging einer hinaus und rauchte in dem schattigen Bereich zwischen dem Häuschen und der Hecke eine Zigarette.
    Allmen war froh darüber. Er hasste es zwar, wenn man in seinen Räumen rauchte, aber er hätte kein Wort darüber verloren. Er verließ sich stets auf das Feingefühl seiner Gäste. Er hatte den Detektivwachtmeister im Verdacht, dass er seine Leute dazu angehalten hatte.
    Nun saß der in der gläsernen Bibliothek neben Allmen in einem Lesesessel wie ein seltener Gast und sprach über Friedrich Glauser, dessen kleines Gesamtwerk er im Bücherregal entdeckt hatte. »Stellen Sie sich vor, wegen Glauser bin ich zur Polizei gegangen.« Er lächelte etwas verlegen.
    »Und Wachtmeister geworden, wie Studer«, ergänzte Allmen.
    Gobler nickte. »Und geblieben. Wie Studer.«
    Der Himmel hatte sich bezogen, und das Thermometer war gesunken. Die Temperaturveränderung hatte sich augenblicklich in dem schlecht isolierten Treibhaus bemerkbar gemacht. Die beiden Männer fröstelten.
    [188]  »Ist das die einzige Heizmöglichkeit hier drin?« Der Detektiv zeigte auf den Schwedenofen vor ihnen.
    »Nein, nein, ich habe eine Gasheizung.«
    »Ach so, gut zu wissen.« Gobler betrachtete ihn mit ironischem Lächeln.
    »Ich weiß auch nicht, warum sie nicht heizt.« Allmen wusste es sehr wohl: Weil Carlos fehlte und er der Einzige war, der wusste, wie sie funktionierte.
    »Wahrscheinlich automatisch«, bemerkte Gobler.
    Allmen musste lachen.
    Bei seiner Ankunft hatte der Detektiv sich Carlos’ und Marías Zimmer zeigen lassen, das seit ein paar Stunden offiziell nur noch Marías war. Carlos hatte ganze Arbeit geleistet. Nichts deutete auf die Anwesenheit eines Mannes hin. Er hatte alle seine Kleider, seine Toilettenartikel, seinen Computer und sein Büromaterial weggebracht, Allmen fragte sich, wohin.
    Auf dem Tisch saß auf ein paar Büchern, umgeben von ein paar abgebrannten Kerzen, eine schwarzgekleidete bärtige Holzpuppe mit breitkrempigem Hut. Allmen, der so gut wie nie in Carlos’ kleiner Wohnung gewesen war, hatte die Figur noch nie gesehen. Aber er kannte sie von seinen Reisen nach Guatemala. Es war Maximón, der rauchende und saufende Heilige der Mayas, zu dem Carlos auf [189]  Dalia Gutbauers Etage so lautstark und theatralisch gebetet hatte. Er hatte ihn wohl auch hier um Hilfe angefleht und um die Wirkung seines Gebets gefürchtet, wenn er ihn hätte verschwinden lassen.
    »Was bedeutet der?«, fragte Gobler.
    »Weiß nicht genau. Irgendein kolumbianischer Heiliger. María ist eine gläubige Frau.«
    Sie gingen die Treppe hinunter. Die drei Beamten im Wohn-Esszimmer spielten jetzt Karten. »Ich hätte eine Aufgabe für euch Hightechspezialisten«, sagte der Wachtmeister im Vorbeigehen. »Glaubt ihr, ihr bekommt die Heizung in Gang?«
    Kaum saß Allmen mit Gobler wieder in der klammen Bibliothek, vernahm er das Klopfen der warm werdenden Heizkörper. Es blieb lange Zeit das einzige Geräusch im Raum.
    »Spielen Sie Klavier?«, fragte der Wachtmeister plötzlich.
    Allmen sah, dass er den Stutzflügel betrachtete. »Ja, ein bisschen. Für mich, zur Zerstreuung. Sie auch?«
    Gobler schüttelte bedauernd den Kopf. »Leider nicht. Aber ich höre gerne zu.«
    Allmen wusste nicht recht, ob dies als Aufforderung gemeint war, und antwortete nur: »Ich auch.«
    Nach einer Pause sagte der Beamte: »Vielleicht verkürzt es die Wartezeit.«
    [190]  So kam es zu der merkwürdigen Situation, dass Johann Friedrich von Allmen einem Polizisten der Interventionseinheit Puma ein paar Nocturnes von Chopin vorspielte, bis der schrille Ton des Handys dem Zauber ein Ende setzte.
    Allmen und Gobler eilten zu den Technikern im Nebenraum und setzten die Kopfhörer auf, die an das Handy angeschlossen waren.
    Wie verabredet, wartete Allmen auf das Zeichen des Cheftechnikers. Als dieses endlich erfolgte, meldete er sich mit »Allmen«.
    »Scriva!«, befahl die Stimme, von der er jetzt wusste, dass sie Dario gehörte.
    Wieder diktierte der Mann ihm Koordinaten. Allmen missverstand manchmal absichtlich etwas oder fragte nach, wie es ihm die Techniker geraten hatten, damit sie Zeit gewannen.
    Doch Dario war nervös und misstrauisch. Er drohte damit aufzulegen, wenn Allmen sich nicht beeile. Wachtmeister Gobler schrieb mit. Jetzt gab er Allmen das Zeichen, sich zu beeilen, so

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