Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
haben. Wer hier einkauft, muss starke Nerven haben, festen Willens sein, genau wissen, was er sucht und eine gehörige Portion Geduld mitbringen.
Jene Kaufhäuser sind der Inbegriff dessen, was Ägypter normalerweise als „taaban“, als „müde“ bezeichnen. Nicht etwa, dass hier wie in deutschen Kaufhäusern nach mehreren Einsparungswellen praktisch kein Verkaufspersonal mehr aufzutreiben ist. Das ist im Omar Effendi im Überfluss vorhanden. Es trinkt Tee, bohrt in der Nase, hat auch schon einmal den Kopf zu einem kleinen Nickerchen auf den Verkaufstresen gelegt und zeigt sich ansonsten gegenüber jeglicher Störung durch fragende Kunden immun. Für Bettbezüge sei hier niemand zuständig, aber der Kollege müsste demnächst kommen, lautet die Information einer Gruppe Verkäufer, die es sich in der Bettenabteilung gemütlich gemacht hat.
Immerhin machen sich in der Ecke tatsächlich zwei Männer eifrig an einem Regal zu schaffen. Ihre mit frischer Farbe befleckten Overalls zeichnen sie sofort als der Malerzunft zugehörig aus. Ohne mit der Wimper zu zucken, streichen sie das Regal und mit ihm gleich auch die darauf liegenden Waren an. Das sei schließlich egal, da die Bettbezüge ohnehin in Plastikfolie verpackt seien, lautet ihr verblüffendes Argument. Zugegeben, eine gewisse Logik hat es schon, die Waren gleich mit anzustreichen. So spart man sich das Warnschild „Frisch gestrichen“. Im Übrigen: Ein bisschen Lackfarbe hat noch keinem Kunden geschadet, meinen sie, und Chef habe gesagt, das solle gemacht werden, und nach vier hätten sie Feierabend. Also könne man den Auftrag nur während der Öffnungszeiten erledigen. Auf die Idee, ihre Zeit damit zu verschwenden, wenigstens die Waren zuvor aus dem Regal zu nehmen, wären die beiden nie gekommen. Auch das halbe Dutzend herumlungernder Verkäufer scheint das Ganze nicht weiter zu stören.
Immerhin helfen die beiden Maler am Ende bei der Suche nach der richtigen Größe des gewünschten Bettbezugs (der eigentliche Verkäufer war immer noch nicht aufzutreiben). Dann gilt es noch die „Herausforderung Kasse“ zu überwinden. Die Kassiererin ist zwar immerhin da, wenngleich sie sich äußerst gelangweilt über ihre Registrierkasse lehnt. Sie hat nichts zu tun, denn die potenziell bezahlende Kundschaft muss auf den Einpacker warten. Der hat sich angeblich zum Gebet verflüchtigt.
Dieses wurde anscheinend nicht erhört, denn übel gelaunt kommt er schließlich nach einer Viertelstunde um die Ecke. Mein Bezug wird lieblos eingepackt (die Farbe an der Plastikfolie ist inzwischen getrocknet). Für den in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Service zahle ich am Ende sogar etwas mehr, als ich es in einem der privat geführten Läden getan hätte. Als ich mit meinem mühsam erstandenen Beutestück von dannen ziehe, winken die beiden Maler zum Abschied. „Vorsicht, frische Farbe“, witzeln sie, glücklich, dass ich das Richtige gefunden habe, und machen sich nun frohgemut über das nächste Regal her.
Diät für Fahrstuhlkabinen
(Kairo, den 8. Oktober 1995)
Wir sind umgezogen. Anstatt uns wieder im nervenraubenden Geschehen der alles verschlingenden Stadt niederzulassen, haben wir beschlossen, Kairo in den nächsten Jahren ein wenig von oben zu betrachten. Der atemberaubende Blick aus dem 16. Stock spricht seine eigene Sprache. Alles ist wunderschön – wäre da nicht dieser kleine Haken.
„Bismillah Al-Rahman Al-Rahim“ – „Im Namen Gottes des Barmherzigen und Allmächtigen“, flüstert mein Mitfahrer verstört vor sich hin, als sich die Türen des Aufzugs schließen und das Gefährt seinen Weg nach oben sucht. Während die Kabine mit lautem Krächzen den Schacht entlangschrammt, versucht ein weiterer Mitfahrer die angespannte Atmosphäre ein wenig aufzulockern. „Die Kabine hat in den letzten Monaten zugenommen und zwängt sich daher nur noch mit Mühe durch den Schacht. Sie braucht eine Diät“, witzelt er. Die Mitreisenden lachen lauthals, fast als wollten sie ihre mittlerweile bis zum Platzen angestaute Angst überspielen. „Hamdillah a la Al-Salama“ – „Danke Gott dafür, heil angekommen zu sein“, verabschieden sich die Mitreisenden im 16. Stock.
Dass der Aufzug überhaupt funktioniert hat, war, wie sich später herausstellen sollte, ein purer Glücksfall. „Der Fahrstuhl muss sich ein wenig ausruhen“, war das überzeugende Argument des Pförtners, als wir mit unseren Kisten in seinem Reich ankamen. Zwischen 11 und 14 Uhr sowie 16
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