Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
verbessere, der Irak und die Menschen seien nicht mehr die gleichen, wirft Intisar ein.
„Ich dachte am Anfang immer, das Problem seien die Amerikaner. Inzwischen glaube ich, dass die Iraker selbst das Hauptproblem darstellen“, bricht es aus Zuhair heraus. „Die Amerikaner haben den Kanaldeckel hochgehoben, und dann kam das irakische Chaos herausgeschwappt.“ Zu Saddams Zeiten, als die Leute Angst hatten zu reden, habe Zuhair immer gedacht, in ihren Gedanken wollten alle Iraker das Gleiche, einen demokratischen und säkularen Staat. Nach dem Sturz Saddams hätten sie entdeckt, dass die Unterschiede größer sind als die Gemeinsamkeiten. Keiner wisse mehr, wer zu wem gehört.
Ob sie etwas anders gemacht hätten, wenn sie vor fünf Jahren gewusst hätten, wie sich der Irak entwickelt? Zuhair erzählt die Geschichte eines Freundes, der ihn nach dem Krieg gefragt hatte, ob er mit ihm in der US-Botschaft arbeiten wolle. Sie brauchten gute und ehrliche Leute, um die Amerikaner zu beraten, wie das Land in die richtige Richtung zu lenken sei. Damit die Amerikaner nicht nur von dem Haufen korrupter Iraker beraten würden, die sie bei der Invasion mitgebracht hatten, argumentierte sein Freund. Zuhair lehnte es ab, mit den Besatzern zusammenzuarbeiten. „Vielleicht war das ein Fehler“, denkt er heute manchmal. „Indem die ehrlichen, säkularen, nicht korrupten Iraker sich weigerten, mit den Amerikanern zusammenzuarbeiten, haben wir das Feld den Gangstern überlassen.“
Was wäre besser gewesen? Fünf Jahre länger Saddam oder fünf Jahre US-Besatzung? Eine lange Pause – die beiden zögern. Das kann ich nicht beantworten, sagt Zuhair zunächst. „Zu Saddams Zeiten gab es die Hoffnung auf Veränderung, heute ist das Land politisch und gesellschaftlich so zerstört, dass es sich nicht wieder aufbauen lässt“, versucht er es trotzdem. „Im Prinzip ist es egal, denn wir hatten ohnehin niemals die Wahl“, sagt Intisar, „keiner hat sich Saddam ausgesucht, und nach ihm hatten wir keine andere Wahl als zu flüchten.“ Irakerin zu sein, das hieß in den letzten Jahrzehnten, von Umständen hin und her geworfen zu werden, auf die sie keinerlei Einfluss gehabt habe. Saddam Hussein, acht Jahre Krieg mit dem Iran, zwei Kriege mit den Amerikanern, fünf Jahre Besatzung und jetzt ein völlig zerstörtes Land. „Ich habe mein ganzes Leben verloren“, fasst die 49-jährige Irakerin zusammen. Sie sagt das ohne große Regung, starrt nur geradeaus, in die Leere ihrer Kairoer Exilwohnung. „Meine Gefühle“, fügt sie noch leise hinzu, „die sind dabei abgestorben.
Danksagung
„Ein Buch ist wie ein Garten, den man in seiner Tasche trägt“, lautet ein arabisches Sprichwort. An diesem Buch waren viele Gärtner beteiligt. Ausgesät hat ihn Barbara Köszegi, die nachdrücklich insistierende Programmdirektorin des K&S-Verlages, die es bei einem Spaziergang im Wiener Schlosspark Schönbrunn tatsächlich fertig gebracht hat, mich zu überreden, dass es zwar Wahnsinn ist, neben einem unberechenbaren Job als Nahost-Korrespondent und meiner Familie mit drei Kindern im anstrengenden Kairo ein Buch zu schreiben – dass es aber trotzdem gemacht werden sollte.
Natürlich gab es schon zuvor viele Wurzeln in dem Garten. Viele der Geschichten dieses Buches sind zuvor als Kolumnen in den Tageszeitungen erschienen, für die ich arbeite. Angefangen haben diese vor vielen Monden in der Rubrik der Berliner Tageszeitung taz mit dem schönen Titel „Nebensachen aus …“. Später wurden die Kolumnen, Reportagen und Porträts auch von der Hannoverschen Allgemeinen , der Presse in Wien, der Sonntagszeitung in Zürich, der Badischen Zeitung , den Stuttgarter Nachrichten , der Rheinpfalz , der Rheinischen Post , dem Bonner General Anzeiger und den Lübecker Nachrichten gedruckt. Manche sind auch in Ton und Bild als Fernsehbeitrag im ORF gelaufen.
Waren die Pflanzen im Garten erst einmal gewachsen, mussten sie gestutzt, zurechtgeschnitten und gelegentlich auch gedüngt werden. Das haben meine ebenso gewissenhaften wie erfahrenen Kollegen Jürgen Stryjak, Esther Saoub und Heiko Flottau in Kairo, Stefan Kaltenbrunner in Basata sowie Christine von dem Knesebeck in München übernommen. Ohne sie alle wäre so manche Pflanze wild gewuchert oder mangels ihrer Ideen verkümmert. Ebenso war mein Vater Magdi mit von der Gartenpartie, mit vielen Tipps und amüsanten, aber auch vielsagenden ägyptischen Familiengeschichten. Von Statistiken bis zu
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