Allwissend
arrangierte Werke von Mozart, Beethoven und Clementi. Sie traf fast jeden Ton.
Alle applaudierten und gingen zu Kuchen, Kaffee und mehr Wein über.
Gegen einundzwanzig Uhr dreißig sagten Steve und Martine, die Zwillinge müssten jetzt ins Bett, und brachen mit ihren Kindern auf. Maggie schmiedete bereits Pläne, wie Dylan und Patsy gemeinsam mit Raye die Hundeschule besuchen könnten.
Edie lächelte matt. »Wir sollten uns auch auf den Weg machen. Es war ein langer Tag.«
»Mom, bleib doch noch ein wenig. Trink noch ein Glas Wein.«
»Nein, nein, ich bin müde, Katie. Komm, Stu. Ich möchte nach Hause.«
Dance wurde von ihrer Mutter kurz und mechanisch in den Arm genommen, und der Hauch von Trost, den sie empfunden hatte, schwand wieder. »Melde dich, wenn ihr da seid.« Der plötzliche Aufbruch ihrer Eltern enttäuschte Kathryn. Sie schaute den Heckleuchten des Wagens hinterher. Dann sagte sie den Kindern, sie sollten Boling eine gute Nacht wünschen. Der Professor schüttelte ihnen lächelnd die Hände, und Dance schickte die beiden zum Zähneputzen.
Wes tauchte einige Minuten später mit einer DVD auf. Ghost in the Shell, ein japanischer Zeichentrickfilm, in dessen Science-Fiction-Geschichte es um Computer ging.
»Hier, Mr. Boling. Der ist echt gut. Sie können ihn sich ausleihen, falls Sie möchten.«
Dance war erstaunt, dass ihr Sohn sich einem Mann gegenüber so gut benahm. Wahrscheinlich erkannte er, dass Boling für seine Mutter nur in beruflicher Hinsicht von Belang war, nicht als möglicher Partner. Allerdings hatte seine Abneigung sich mitunter auch gegen so manchen von Kathryns Kollegen gerichtet.
»Vielen Dank, Wes. Ich habe mich zwar schon mit Animes beschäftigt, aber diesen hier kenne ich noch nicht.«
»Wirklich?«
»Ja. Ich bringe ihn dir in einwandfreiem Zustand zurück.« »Das hat Zeit. Gute Nacht.«
Der Junge eilte zurück in sein Zimmer und ließ sie allein.
Aber nur für einen Moment, denn eine Sekunde darauf kam Maggie und brachte ebenfalls etwas mit. »Das ist meine Aufführung.« Sie gab ihm eine CD in einer Plastikhülle.
»Die, von der du beim Abendessen erzählt hast?«, fragte Boling. »Bei der Mr. Stone während des Mozart-Stücks gerülpst hat?«
»Ja, genau!«
»Darf ich sie mir ausleihen?«
»Sie können sie behalten. Ich habe ungefähr eine Million davon. Mom hat sie gemacht.«
»Nun, dann vielen Dank, Maggie. Ich werde mir die Stücke auf meinen iPod überspielen.«
Maggie wurde tatsächlich rot, was ungewöhnlich für sie war. Sie lief davon.
»Das müssen Sie aber nicht«, flüsterte Dance.
»Doch, ich möchte aber. Sie ist ein tolles Mädchen.«
Er verstaute die CD in seiner Computertasche und musterte die DVD, die Wes ihm geliehen hatte.
Dance senkte abermals ihre Stimme. »Wie oft haben Sie den schon gesehen?«
Er lachte in sich hinein. »Ghost in the Shell! Zwanzig- oder dreißigmal, genau wie die beiden Fortsetzungen. Verdammt, Sie bemerken sogar die Notlügen.«
»Haben Sie vielen Dank dafür. Es bedeutet ihm viel.«
»Ich habe gesehen, wie aufgeregt er war.«
»Es überrascht mich, dass Sie keine Kinder haben. Sie scheinen gut mit ihnen zurechtzukommen.«
»Nein, das hat sich nie ergeben. Wenn man Kinder will, wäre es außerdem hilfreich, die passende Frau dafür zu haben. Ich bin einer dieser Männer, vor denen Sie sich in Acht nehmen müssen. Heißt es nicht so in Frauenkreisen?«
»In Acht nehmen? Warum denn?«
»Geh nie mit einem Mann über vierzig aus, der noch nicht verheiratet gewesen ist.«
»Ich glaube, heutzutage ist man da pragmatischer. Was funktioniert, funktioniert.«
»Ich habe einfach nie die Frau kennengelernt, mit der ich mich häuslich niederlassen wollte.«
Das Zucken einer Augenbraue und die leichte Veränderung der Stimmhöhe entgingen Dance nicht. Sie dachte nicht weiter darüber nach.
»Sie sind...?«, fragte Boling und schaute dabei zu dem grauen Perlenring an ihrem linken Ringfinger.
»Ich bin verwitwet«, sagte Dance. »Ach, herrje. Das tut mir leid.«
»Ein Autounfall«, sagte sie und verspürte dabei nur einen Anflug des üblichen Kummers. »Wie schrecklich.«
Kathryn Dance wollte das Thema nicht weiter vertiefen. »So, Sie sind also ein richtiger Junggeselle, ja?«
»Ja, das bin ich wohl. Aber so bezeichnet worden bin ich schon seit mindestens hundert Jahren nicht mehr.«
Sie ging in die Küche, um noch etwas Wein zu holen, und griff instinktiv nach dem Roten, weil Michael O'Neil den am liebsten
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