Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Allwissend

Allwissend

Titel: Allwissend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
Vom Netzwerk:
großen Kühlschrank. Als wenig originelle Ziergegenstände standen halb vertrocknete Pflanzen in angeschlagenen Töpfen, Vogelbäder samt Futterhäuschen und verwitterte Metall- und Keramikwindspiele aus der Gartenabteilung eines Baumarkts zur Verfügung.
    Wenn Dance nach Hause kam, traf sie hier auf dem Deck häufig Kollegen vom CBI, dem MCSO oder der Highway Patrol an, die sich mit Getränken aus dem verbeulten Außenkühlschrank versorgt hatten und fröhlich zusammensaßen. Es spielte keine Rolle, ob Dance zu Hause war oder nicht, solange die Regeln befolgt wurden: Die Schularbeiten der Kinder und der Schlaf der Familie durften nicht gestört werden, unflätige Ausdrücke waren auf ein Minimum zu beschränken, und das eigentliche Haus sollte nicht unaufgefordert betreten werden.
    Dance liebte das Deck. Hier wurde gefrühstückt, hier wurden Dinnerpartys gefeiert, hier fanden formellere Ereignisse statt. Hier hatte sie geheiratet.
    Und hier auf den grauen, ungleichmäßigen Bohlen hatte sie die Gedenkfeier für ihren Mann abgehalten.
    Dance nahm nun auf dem Korbsofa neben Boling Platz, der vornübergebeugt vor dem großen Laptop saß. »Ich habe auch eine Terrasse«, sagte er. »Aber mein Deck verhält sich zu Ihrem Deck wie das eines Beiboots zu dem einer Fregatte.«
    Sie lachte.
    Boling deutete auf den Computer. »Ich habe kaum etwas über etwaige Aufenthaltsorte oder Travis' Freunde gefunden. Viel weniger, als man normalerweise im Computer eines Teenagers erwarten darf. Die echte Welt besitzt für Travis' Leben keinen großen Stellenwert. Er verbringt den Großteil seiner Zeit in der synthetischen Welt, also auf Internetseiten und in Blogs oder Foren - und natürlich mit dem Spielen seiner Morpegs.«
    Dance war enttäuscht. Es war so schwierig gewesen, diesen Computer zu knacken, und nun würde er längst nicht so hilfreich sein wie erhofft.
    »Am liebsten mag er DimensionQuest. Ich habe ein paar Nachforschungen angestellt. Es ist das größte Online-Rollenspiel der Welt mit ungefähr zwölf Millionen Abonnenten.«
    »Das sind mehr als die Einwohner von New York City.«
    Boling beschrieb das Spiel als eine Mischung aus Herr der Ringe, Star Wars und Second Life, jener der Realität nachempfundenen Onlinewelt, in der man ein zweites, virtuelles Leben führen konnte. »Soweit ich das abschätzen kann, hat er täglich zwischen vier und zehn Stunden DQ gespielt.«
    »Täglich?«
    »Oh, das ist typisch für Morpeg-Spieler.« Er lächelte. »Bei manchen ist es sogar noch schlimmer. Es gibt in der echten Welt ein Zwölf-Schritte-Programm, um Leute von ihrer Dimension-Quest-Sucht zu befreien.«
    »Ernsthaft?«
    »Aber ja.« Er beugte sich vor. »Also, es gibt in diesem Computer nichts über seine Freunde oder Orte, an denen man ihn finden könnte, aber dafür bin ich auf etwas anderes gestoßen.«
    »Auf was denn?«
    »Auf ihn.«
    »Wen?«
    »Nun, auf Travis persönlich.«
     

Kapitel 23
    Dance sah ihn verständnislos an und wartete auf eine Pointe. Doch Jon Boling meinte es ernst. »Sie haben ihn gefunden? Wo?« »In Aetheria, der fiktiven Welt von DimensionQuest.« »Er ist online?«
    »Nicht im Moment, aber er war es, und zwar erst kürzlich.« »Lässt sich daraus ermitteln, wo er sich in der echten Welt aufhält?«
    »Nein, das ist völlig unmöglich. Wir können ihn nicht zurückverfolgen. Ich habe bei der Spielefirma angerufen - die sitzt in England - und mit einigen leitenden Angestellten gesprochen. Die DimensionQuest-Server stehen in Indien, und es sind zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine Million Spieler eingeloggt.«
    »Da wir seinen Computer haben, muss er wohl den eines Freundes benutzen«, sagte Dance.
    »Er könnte auch an einem öffentlichen Terminal sitzen. Oder er hat einen Computer geliehen oder gestohlen und gelangt über einen kostenlosen Hotspot ins Internet.«
    »Sobald er online ist, wissen wir zumindest, dass er sich nicht bewegt, und haben eine Chance, ihn zu finden.«
    »Theoretisch ja«, bestätigte Boling.
    »Wieso spielt er weiter? Er muss doch wissen, dass wir nach ihm suchen?«
    »Wie ich schon sagte, er ist süchtig.«
    Sie wies auf den Computer. »Und Sie sind sicher, dass es Travis ist?«
    »Er muss es sein. Ich habe mir seine Spieldateien angesehen und bin auf eine Liste der verfügbaren Avatare gestoßen, die er für sich erschaffen hat. Dann habe ich eine Gruppe meiner Studenten gebeten, in der Spielwelt nach diesen Namen Ausschau zu halten. Er hat sich heute mehrmals ein- und

Weitere Kostenlose Bücher