Allwissend
der Verleugnung, machte sich möglichst klein, hob die Deckung.
»Ich weiß nicht, wer das war. Ich schwöre bei Gott.«
Ein deutliches Anzeichen für eine Irreführung: »Ich schwöre.« Auch der Verweis auf Gott. Es war, als würde sie rufen: Ich lüge! Ich will die Wahrheit sagen, aber ich habe Angst!
»Okay, Tammy«, sagte Dance. »Ich glaube Ihnen.«
»Hören Sie, ich bin wirklich, wirklich müde. Vielleicht sollte ich lieber nichts mehr sagen, bis meine Mom hier ist.«
Dance lächelte. »Natürlich, Tammy.« Sie stand auf und gab dem Mädchen eine ihrer Visitenkarten. »Bitte denken Sie noch mal über alles nach und lassen Sie es uns wissen, falls Ihnen noch etwas einfällt.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen, nun ja, so wenig weiterhelfen kann.« Gesenkter Blick. Zerknirscht. Dance konnte sehen, dass das Mädchen nicht zum ersten Mal seinen Schmollmund einsetzte und Schuldbewusstsein heuchelte. Diese Technik, angereichert mit etwas Flirtverhalten, mochte bei Jungen und Tammys Vater funktionieren; eine Frau fiel nicht darauf herein.
Trotzdem spielte Dance mit. »Nein, nein, Sie sind uns sehr behilflich. Herrje, meine Liebe, was Sie alles durchgemacht haben! Ruhen Sie sich aus. Und schauen Sie sich ein paar Sitcoms an.« Sie wies auf den Fernseher. »Die sind gut für die Seele.«
Auf dem Weg nach draußen dachte Dance: Noch ein paar Stunden, und sie hätte das Mädchen eventuell dazu gebracht, die Wahrheit zu sagen. Aber sie war sich nicht sicher; Tammy hatte eindeutig furchtbare Angst. Außerdem gaben manche Personen ihr Wissen einfach nicht preis, ganz egal wie talentiert der Vernehmungsbeamte sein mochte.
Nicht, dass es darauf ankam. Kathryn Dance glaubte, alle benötigten Informationen in Erfahrung gebracht zu haben.
Von A nach B nach X...
Kapitel 6
In der Eingangshalle des Krankenhauses benutzte Dance einen der Münzfernsprecher - denn Mobiltelefone waren hier nicht gestattet - und sorgte dafür, dass ein Deputy zur Bewachung von Tammy Fosters Zimmer abgestellt wurde. Dann ging sie zum Empfang und ließ ihre Mutter anpiepsen.
Drei Minuten später überraschte Edie Dance ihre Tochter dadurch, dass sie nicht von ihrem Posten auf der Herzstation, sondern aus Richtung der Intensivstation zum Vorschein kam.
»Hallo, Mom.«
»Katie«, sagte die untersetzte Frau mit dem kurzen grauen Haar und der runden Brille. Um ihren Hals hing ein Anhänger aus Muscheln und Jade, den sie selbst gefertigt hatte. »Ich habe von dem Überfall auf diese junge Frau gehört. Sie liegt oben.«
»Ich weiß. Ich war gerade bei ihr.«
»Sie kommt wieder in Ordnung, glaube ich. So heißt es jedenfalls. Wie war dein Treffen heute Morgen?«
Dance verzog das Gesicht. »Es gibt offenbar einen Rückschlag. Die Verteidigung versucht, den Fall wegen angeblicher Immunität abweisen zu lassen.«
»Das überrascht mich nicht«, lautete die kalte Antwort. Edie Dance hielt mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg. Sie hatte den Verdächtigen kennengelernt, und als sie von seinen Taten erfuhr, war sie wütend geworden - was Kathryn aus ihrer ruhigen Miene und dem matten Lächeln zweifelsfrei ablesen konnte. Edie wurde nie laut, doch der Ausdruck in ihren Augen erinnerte dann an kalten Stahl.
Wenn Blicke töten könnten..., hatte Dance bei solchen Gelegenheiten früher oft gedacht.
»Aber Ernie Seybold ist ein zäher Hund.«
»Wie geht es Michael?« Edie Dance hatte O'Neil schon immer gemocht.
»Gut. Wir arbeiten zusammen an diesem Fall.« Sie erzählte von dem Kreuz am Straßenrand.
»Nein, Katie! Ein Kreuz aufstellen, bevor jemand stirbt? Als Botschaft?«
Dance nickte. Aber ihr entging nicht, dass die Aufmerksamkeit ihrer Mutter sich immer wieder nach draußen richtete. Edie sah besorgt aus.
»Man sollte meinen, die Leute hätten Besseres zu tun. Dieser Reverend hat neulich eine Rede gehalten und Hölle und Verdammnis auf uns herabbeschworen. Und dann dieser Hass auf ihren Gesichtern. Das ist abscheulich.«
»Hast du Juans Eltern gesehen?«
Edie Dance hatte die Familie des Verbrennungsopfers getröstet, vor allem die Mutter. Ihr war klar gewesen, dass Juan Miliar wahrscheinlich nicht überleben würde, aber sie hatte sich nach Kräften bemüht, dem schockierten und verwirrten Elternpaar begreiflich zu machen, dass er die bestmögliche Pflege erhielt. Edie hatte zu ihrer Tochter gesagt, der seelische Schmerz der Mutter sei ebenso groß wie die körperliche Qual ihres Sohnes.
»Nein, sie waren seitdem nicht wieder hier.
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