Allwissend
- ein Professor aus Santa Cruz.«
»Von der Uni?«
»Richtig.«
Dance hatte dort studiert.
»Er sagte, der Prof sei ziemlich pfiffig gewesen. Und er habe angeboten, dem FBI bei Bedarf behilflich zu sein.« »Wie war sein Werdegang?«
»Ich weiß bloß, dass er im Silicon Valley aufgehört und als Dozent angefangen hat.«
»Dann wird er wohl nicht bloß ein Schaumschläger sein.« »Soll ich mich nach seinem Namen erkundigen?« »Klar.«
O'Neil nahm einen Stapel Visitenkarten aus dem Aktenkoffer, der so aufgeräumt wie sein Boot war. Er fand, was er suchte, und wählte eine Nummer. Nach drei Minuten hatte er seinen Freund aufgespürt und führte ein kurzes Gespräch. Der Überfall hatte bereits die Aufmerksamkeit des FBI erregt, folgerte Dance. O'Neil notierte sich einen Namen und dankte dem Kollegen. Dann trennte er die Verbindung und reichte Dance den Zettel. Dr. Jonathan Bolinß. Darunter stand eine Telefonnummer.
»Was kann es schaden? ... Wo ist der Laptop zurzeit?«
»In unserem Asservatenschrank. Ich veranlasse, dass das Gerät freigegeben wird.«
Dance zückte ihr Mobiltelefon und rief Boling an. Sie landete bei seiner Mailbox und hinterließ eine Nachricht.
Dann berichtete sie O'Neil weiter von Tammy und erwähnte, dass die emotionalen Reaktionen des Mädchens weitgehend von der Angst bestimmt wurden, der Täter könne erneut zuschlagen - womöglich auch bei anderen.
»Genau was wir befürchtet haben«, sagte O'Neil und strich sich mit seiner großen Hand durch das grau gesprenkelte Haar.
»Sie schien außerdem Gewissensbisse zu haben«, sagte Dance.
»Weil sie zum Teil für das Geschehene verantwortlich sein könnte?«
»Das vermute ich jedenfalls. Wie dem auch sei, ich möchte wirklich gern wissen, was in Tammys Computer ist.« Ein Blick auf die Uhr. Sie war wider besseres Wissen verärgert, dass dieser Jonathan Boling noch nicht auf ihren drei Minuten zurückliegenden Anruf reagiert hatte.
»Haben die Spuren sonst noch was ergeben?«, fragte sie O'Neil.
»Nein.« Er fasste für sie zusammen, was Peter Bennington über die Tatorte herausgefunden hatte: dass das Holz des Kreuzes von einer Eiche stammte, von denen es auf der Halbinsel etwa ein oder zwei Millionen gab. Der grüne Blumendraht, von dem die beiden Zweige zusammengehalten wurden, war handelsüblich und nicht zurückverfolgbar. Das Pappschild hatte man aus dem hinteren Deckel eines billigen Notizblocks ausgeschnitten, wie man ihn in Tausenden von Geschäften kaufen konnte. Die Tinte ließ sich ebenfalls nicht auf eine Quelle zurückführen. Die Rosen konnten weder einem bestimmten Geschäft noch einer anderen Herkunft zugeordnet werden.
Dance erzählte von ihrer Theorie hinsichtlich des Fahrrads, doch O'Neil war ihr bereits einen Schritt voraus. Er fügte hinzu, sie hätten sich noch mal den Parkplatz vorgenommen, auf dem das Mädchen entführt, und den Strand, an dem der Wagen zurückgelassen worden war. Dabei seien sie auf weitere Reifenspuren eines Fahrrads gestoßen, die zwar nicht näher zugeordnet werden konnten, aber frisch waren und somit wahrscheinlich vom Täter stammten. Leider waren sie nicht deutlich genug, um über eine längere Strecke verfolgt werden zu können.
Dances Telefon klingelte - mit der Looney-Tunes-Melodie von Warner Brothers, die ihre Kinder ihr zum Spaß auf den Apparat geladen hatten. O'Neil lächelte.
Dance las die Kennung des Anrufers ab. /. Boling. Sie zog eine Augenbraue hoch und dachte - wieder entgegen jeder Vernunft -: Das wurde aber auch höchste Zeit.
Kapitel 7
Das Geräusch, ein Knacken von der Rückseite des Hauses, erweckte eine alte Angst zum Leben. Dass sie beobachtet wurde.
Nicht wie im Einkaufszentrum oder am Strand. Sie fürchtete sich weder vor glotzenden Kindern noch vor irgendwelchen Perversen. Nein, Kelley Morgan hatte Angst davor, dass irgendein Ding sie von jenseits des Schlafzimmerfensters anstarrte.
Knack...
Ein zweites Geräusch. Kelley saß in ihrem Zimmer am Schreibtisch und wurde von einem plötzlichen Schauder dermaßen ergriffen, dass ihre Haut schmerzte. Ihre Finger waren über der Computertastatur in der Luft erstarrt. Sieh doch nach, forderte sie sich auf. Dann: Nein, lieber nicht.
Schließlich: Herrje, du bist siebzehn. Reiß dich gefälligst zusammen!
Kelley zwang sich dazu, sich umzudrehen und einen vorsichtigen Blick aus dem Fenster zu riskieren. Sie sah grauen Himmel über grünen und braunen Pflanzen, Felsen und Sand. Aber keine Menschenseele.
Und
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